Vor ein paar Tagen bekam ich die Gelegenheit zu einer kleinen Bootspartie auf dem Rhein, auf der an sich wenig attraktiven Strecke von Mannheim nach Worms.
Anlass war die „Sommerreise“ des SPD-Bundesvorsitzenden Sigmar Gabriel, denn während der gut zwei Stunden dauernden Passage war ich als Gast zu einer Podiumsdikussion eingeladen worden. Das Thema: „Mehr Bürgerbeteiligung – aber wie? Über Volksentscheide, Bürgerbegehren und das Internet“, außerdem am Start waren noch Frank Decker (Universität Bonn) und Michael Efler vom Verein „Mehr Demokratie e.V.“ (einen Fotobeweis gibt es hier).
Das alles wäre nicht unbedingt der Rede wert, die Debatte plätscherte ähnlich dahin wie der Rhein. Sorry, das Wortspiel ist nicht von mir, sondern aus dem Bericht von Spiegel Online. Und das wäre dann das eigentliche Thema: die SPD inszeniert eine Sommerreise und alle, alle reisen mit. Mehr als zwanzig Journalisten aus der Hauptstadt hatte der SPD-Chef im Reisegepäck, hinzu kamen noch einige Vertreter der regionalen Medien. Angesichts dieser „Meute“ (Herlinde Kölbl) blieb auf der MS Europa gerade mal noch Platz für etwas mehr als hundert interessierte Parteimitglieder aus den Ortsverbänden entlang von Rhein und Neckar.
Die Veranstalter im Willy-Brandt-Haus hatten ihren Boorstin offenbar gut gelesen, denn viel besser kann man ein „Pseudo-Ereignis“ eigentlich nicht inszenieren – es war alles dabei: der Vorsitzende trifft die Basis (und das gleich in zwei Ländern in den Wahlen anstehen), die Medien bekommen ihre Fotos (Top-Motiv: Gabriel signiert Parteibücher), die Partei ihre Inszenierung (Politiker trifft Kapitän und darf Steuermann spielen) und die Genossen Kaffee, Kuchen sowie den Kontakt mit der großen Berliner Politik. Und das Wetter war auch noch gut.
Was soll man sagen: das Rezept funktioniert. Selbst eine wenig einfallsreiche Google-Suche nach „gabriel sommerreise“ im News-Sektor fördert 91 Nachrichtenartikel zu Tage, im Bildbereich dominieren Sandkastenspiele, Schulbesuche und die Schauwerte des Wormser Doms.
Ach ja, ein „politisches“ Thema gab es ja auch noch – in der Gesprächsrunde wurden durchaus Vorschläge zum Entkommen aus der Politikverdrossenheitsfalle diskutiert. Michael Efler unterstützte radikalere Ansätze zu einer „Volksgesetzgebung“, Frank Decker warb für ein abgeschwächteres Konzept mit Referendum und plebiszitärem Veto und ich wies auf die netzbasierten Modernisierungsoptionen für Mitgliederparteien hin. Bewegung in die Journalisten kam eigentlich nur, wenn vermeintliche Reizthemen angesprochen wurden – die Beteiligungsdebatte gehörte nicht dazu. Erst als bei den Zuschauerfragen der Name Sarrazin fiel, sich regionale MigrantInnenvertreter zu Wort meldeten oder die Moderation etwas ungelenk nach Gabriels Kanzlerschaftsambitionen fragte, regten sich Netbooks und Notizblöcke.
In der Schlussrunde habe ich noch andeuten können, dass ich für die Zukunft auch eine Debatte um die mediengestützte Modernisierung der Stimmabgabe (Don´t call it E-Voting!) für wahrscheinlich halte. Aber da war schon der Anleger in Worms in Sichtweite und Kurt Beck winkte freundlich herüber.
Schlagwörter: Gabriel, Hauptstadtjournalismus, Mediendemokratie, Sommerreise, SPD
Freitag, 27. August 2010 um 17:11 |
Ach, da war ich ja auch. Schöne Veranstaltung, und der Kuchen war auch lecker.
Freitag, 27. August 2010 um 17:22 |
…aber die netz-abdeckung war schlecht – ich wollte sie zwischendurch eigentlich mal antwittern, hatte aber kein internet.