In den nächsten Wochen stehen gleich zwei Vorträge zum Thema Wikileaks auf dem Programm. Am 3. Februar halte ich in Duisburg eine Dinner Speech im Rahmen der Tagung Informelles Regieren. Entstehung und Wandel, Leistungen und Legitimität informeller Institutionen und Entscheidungsprozesse. Organisator ist die Sektion „Regierungssystem und Regieren in der BRD“ der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW).
Ich hoffe, zwischen Vor-, Haupt- und Nachspeise bleibt genügend Zeit für ein paar Thesen zu meinem Arbeitsauftrag Wikileaks und die Folgen. Das Ende aller Informalität? Mit Blick auf den Tagungstitel sollte man wohl nicht nur über den neuen Zwang zur informellen Kommunikation reden, sondern auch den Institutionencharakter von Wikileaks berücksichtigen und die Beschaffenheit der Entscheidungsprozesse im Umfeld der „Affäre Assange“ betrachten. Hm. Ich sollte wohl über einen dreigeteilten Vortrag nachdenken – allerdings sind die vorgesehenen 15-20 Minuten dafür eher knapp bemessen. Na, mal sehen, was die Menüfolge hergibt. (Nebenbei: sehr gute inhaltliche Hinweise hat gerade Krystian Woznicki in der Berliner Gazette gegeben: Geheimniskulturen ist ein wirklich gutes Stichwort).
Am 14. Februar geht es dann (aus Offenburg kommend) eine ICE-Station weiter nach Essen. Dort veranstaltet das Kulturwissenschaftliche Institut (KWI) gemeinsam mit dem Deutschen Historischen Institut Paris die internationale Konferenz Öffentlichkeit, Medien und Politik – Intellektuelle Debatten und Wissenschaft im Zeitalter digitaler Kommunikation. Auch hier bin ich für den Abendvortrag vorgesehen (diesmal allerdings ohne Dinner).
Mein Thema sind die Metamorphosen des politischen Intellektuellen. Was das mit Wikileaks zu tun hat? Vermutlich eine ganze Menge, in der Tagungsankündigung heißt es:
Auf der semantischen Ebene verbinden sich mit dem Begriff des Intellektuellen seit seiner Entstehung im 19. Jahrhundert vor allem drei Merkmale: erstens das Wirken im öffentlichen Raum; zweitens die gezielte Nutzung von Massenmedien; und drittens schließlich die bewusste Applikation von Wissen auf Praxis.
Mit Blick auf die umstrittene Frontfigur Julian Assange kann man hier schon mal relativ problemlos drei Häkchen setzen. Und es geht noch weiter:
Jenseits eines bloßen „Fachmenschentums“ im Sinne Max Webers – erweisen sich die modernen Intellektuellen damit als Virtuosen der öffentlichen Meinungsbildung, die auf der Grundlage einer ausgeprägten Sensibilität für aktuelle Problemlagen in die gesellschaftlichen Debatten ihrer Zeit intervenieren, woraus sich auch ihre häufig polarisierende Wirkung erklärt.
Na, das reicht doch schon mal locker für drei bis vier Powerpoint-Folien. Etwas kniffliger dürfte die kohärente, systematische Entwicklung des Intellektuellenbegriffs unter den Bedinungen digitaler, interaktiver Medien sein. Eine grobe Idee dazu gibt es durchaus und ich hoffe, dass die Lektüre des Essays Program oder Be Programmed von Douglas Rushkoff an dieser Stelle weiter hilft. Diese Stelle auf S. 139/140 deutet schon mal an, worauf ich hinaus will.
Finally, we have the tools to program. Yet we are content to seize only the capability of the last great media renaissance, that of writing. We feel proud to build a web page or finish our profile on a social networking site, as if this means we are now full-fledged participants in the cyber era. We remain unaware of the biases of the programs in which we are participating, as well as the ways they circumscribe our newfound authorship within their predetermined agendas.
Und, ja, ich fürchte, am Ende muss man ein paar Worte über den Hacker als Intellektuellen verlieren. Aber dazu hat schon vor Jahren Andrew Ross in seinem klassischen Text Hacking Away at the Counterculture wesentliches gesagt. Moment, gab´s den Aufsatz nicht sogar in deutscher Sprache? Ich bin dann mal unterwegs ins Archiv.
Mittwoch, 12. Januar 2011 um 4:31 |
sehr interesssant christoph, werden deine vorträge aufgezeichnet? insbesondere der zweite klingt spannend. fände es schön, wenn deinen gedanken zu diesen themen und fragestellungen in kondensierter form in der berliner gazette erscheinen könnte. vielleicht ist das ja ohne großen aufwand machbar?
Mittwoch, 12. Januar 2011 um 11:13 |
beim essener vortrag wird es eine audioaufzeichnung durch das KWI geben, für duisburg weiß ich es noch nicht. das hackerthema wurde in der tat gut zu den letzten gazette-artikeln passen. ich will sehen, was sich da machen lässt.
Donnerstag, 13. Januar 2011 um 9:49 |
[…] – wird es einfacher, egalitärer, besser?” Am Montag Abend lausche ich dem Vortrag von Christoph Bieber zu den “Metamorphosen des politischen Intellektuellen”, am Dienstag nachmittag bin ich […]