Unter dem Titel Im Social Web angekommen ist in diesen Tagen ein recht umfangreiches Dossier zum Stand des Online-Wahlkampfs in den sozialen Netzwerken auf tagesschau.de veröffentlicht worden. In der Vorbereitung dafür wurde ich von der Redaktion interviewt, unser Gespräch schaffte am Ende dann aber nicht den „Cut“ und blieb offline. Hier im Blog dokumentiere ich aber mal die zentralen Passagen unserer Unterhaltung, die einige aus meiner Sicht wichtige Elemente der politischen Online-Kommunikation vor der Bundestagswahl 2013 anschneiden.
Frage: In Tweets und Posts ist eine extreme Komplexitätsreduktion notwendig. Sind diese Plattformen überhaupt zur serösen Vermittlung von politischen Inhalten verwendbar?
CB: Ja, weil Man in kurzen Tweets und Posts auf andere Inhalte im Netz verweisen kann, in denen dann mehr Raum ist für differenzierte Informationen.
Das wäre also eine Art „Anfüttern“ auf den Social-Media-Plattformen.
Man kann Social Media ja durchaus als mehr als eine reine Verkündungsplattform für Pressemitteilungen sehen. In der Echtzeit-Kommunikation sind die einzelnen Äußerungen Bestandteile eines längeren Dialogs mit einer oder mehreren Personen. Die einzelnen Tweets oder Posts beziehen sich ja aufeinander.
Der Austausch oder Dialog ist ja eine Idealvorstellung. Wird die bereits umgesetzt in der deutschen Politik?
Die deutsche Politik kennt sich mit Twitter fast länger aus als die deutschen Qualitätsmedien, die nur zögerlich begonnen hatten, Social Media in die eigene Arbeit zu integrieren. Schauen Sie sich an, was im Umfeld von Plenardebatten getwittert wird, wie über Programme in den Sozialen Netzwerken diskutiert wird, wie „Online-Ereignisse“ kreiert werden wie zum Beispiel #fragpeer bei der SPD. Auch bei großen Parteitagen wird die Echtzeit-Kommunikation in die PR-Strategie eingebunden.
Verändert sich das Politikverständnis durch die Kommunikation über Social Media?
Die Öffentlichkeiten verändern sich. Es sind nicht mehr die klassischen Zuschaueröffentlichkeiten der alten Massenmedien. Der Kommunikationssoziologe Jan Schmidt beschreibt das mit dem Begriff der „persönlichen Öffentlichkeiten“: Das Umfeld der sozialen Netzwerke ist geprägt von den Personen, die sich dort bewegen, die selbst entscheiden können, an welches Publikum sie sich richten. Das ist etwas anderes als das unpersönliche Publikum der Massenmedien, bei dem es kaum möglich ist, direkte Beziehungen zu den Menschen herzustellen. Wie man davon als Politiker, Journalist oder auch Bürger profitieren kann, das müssen alle Beteiligten erst noch herausfinden.
Welchen Unterschied sehen Sie zwischen Twitter und Facebook?
Der erste Ansatz wäre, dass Die Kommunikation bei Twitter ist noch stärker auf Echtzeit-Ereignisse ausgelegt ist. Allerdings finden auch als die Facebook-Updates häufig in Echtzeit statt. Trotzdem könnte man einen Unterschied daran festmachen, dass auf Facebook eher das zu finden ist, was früher charakteristisch für die persönlichen Homepages war, während die Kommunikation auf Twitter immer einen konkreten Bezug zum Ereignis aufweist.
Was können Politiker über Social-Media-Kampagnen im Wahlkampf erreichen?
Das Online-Campaigning zielt immer in drei Richtungen: erstens auf die Menschen, mit denen die Parteien und Politiker in irgendeiner Weise verbunden sind, das heißt, sie sprechen in erster Linie ihre Unterstützer an. Kampagnen können außerdem darauf ausgerichtet sein, auf die eher Unentschlossenen anzusprechen und so neue Unterstützer zu gewinnen. Drittens werden auf jeden Fall auch Medienakteure angesprochen, sowohl innerhalb wie außerhalb des Netzes. Das, was Politiker in den neuen Medien machen, hat momentan noch einen so hohen Neuigkeitswert, dass auch in den alten Medien darüber berichtet wird. Dadurch steigert sich die Reichweite der politischen Kommunikation im Netz. Eine relevante Sichtbarkeit erreicht man zumeist erst dann, wenn man den Sprung von den neuen in die alten Medien schafft.
Was raten Sie denn Politikern?
Als Wissenschaftler kann ich sagen, dass die Politiker es nicht so machen sollten wie in den vorherigen Wahlkämpfen und ihr Interesse für die sozialen Medien nicht nur bis zum Wahltag um 18 Uhr aufrecht erhalten. Auch während der Amtsführung oder in der Opposition sind diese Plattformen alltägliche Kommunikationswege.
Freitag, 9. August 2013 um 9:11 |
Sehr schönes und gutes Interview. Die Analyse deckt sich dann ja auch mit den Erfahrungen und Tipps aus der Praxis: http://www.udldigital.de/die-zehn-goldenen-regeln-fur-politiker-im-social-web-hor-nicht-auf-deinen-wahlkampfberater/
Montag, 12. August 2013 um 17:06 |
sind wahlen doch nur für die katz’ ?
tommy douglas – the story of mouseland (1944)
von der klugheit und der vernunft des wahlviehs.
http://campogeno.wordpress.com/2013/08/12/sind-wahlen-doch-nur-fur-die-katz/
Dienstag, 17. September 2013 um 15:17 |
[…] Of course there’s still a lot more and especially also various international studies on social media and their role in elections (I might choose to write some literature review on this topic in another post one day). And there is of course lots of media coverage of that topic, like this one at tagesschau.de (see also the additional comments by Christoph Bieber). […]