Okay, dann also doch. Eigentlich wollte ich nichts weiter zum Duell-Mem von der #schlandkette bwz. @schlandkette beitragen, aber dann wurde das Schmuckstück zuerst in den Titel meines kleinen Kommentars für heute.de gehoben und im Laufe des Vormittags begegnete es einem in den sozialen Netzwerken immer wieder (wie es sich für ein ordentliches Mem eben gehört).
Dabei fiel auch der immer gerne bemühte Vergleich zu den (vermeintlich) flachen und nichtssagenden TV-Debatten in den USA, die ja immer gerne für eine (scheinbare) Verflachung des hiesigen Formates herhalten müssen. Auf den ersten Blick scheint die Aufregung um die rot-gold-schwarze Kette am Hals der Kanzlerin auch ganz gut in diese Amerikanisierungslogik zu passen, doch wenn man etwas genauer hinschaut, sieht es etwas anders aus.
Zunächst einmal ist die Aufmerksamkeitslenkung auf ein bestimmtes Detail der Debatte ganz und gar nichts untypisches für das TV-Format, das haben wir in den USA zuletzt etwa entlang der Hashtags #bindersfullofwomen oder #horseswithbayonets gelernt. In beiden Fällen haben die Begriffe eine große Online-Verbreitung noch während des jeweiligen Duells gefunden, entweder als Textbeitrag oder Bildcollage in den diversen sozialen Netzwerken. Von dort aus sprang das Interesse zurück in Richtung der „alten Medien“, die bei der Nachberichterstattung eifrig auf diese Netz-Eigentümlichkeiten hingewiesen hatten. Auch in 2008 hatte es ein solches Duell-Mem bereits gegeben, damals war ein (scheinbarer) Durchschnittsbürger unter dem Label Joe, the plumber in den Fokus geraten und hatte weite Teile der post-debate-debate auf sich vereinigt.
Hinter allen drei US-Memen stand aber jeweils der Verweis auf bestimmte Einstellungen oder Themen eines der Kandidaten – die Aktenordner voller Frauen verwiesen auf die Versuche, weibliches Personal für das Wahlkampf-Team von Mitt Romney zu rekrutieren. Die spöttische Erwähnung von Pferden und Bajonetten diente Barack Obama zu einer Unterstreichung seiner modernen Militärpolitik und der Bloßstellung des Gegners. Joe, der Klempner stand schließlich als rethorisches Hinweisschild zum Narrativ des „einfachen Mannes“ im Debattenraum, John McCain konnte damit gegen Obams Steuerpläne punkten.
Wofür aber steht nun die @schlandkette?
Sie ist nicht in erster Linie und konkret an eine bestimmte Erzählstrategie der Kanzlerin gekoppelt, die Kette ist formal zunächst einmal die vorauseilende Antwort auf die üblicherweise „staatstragende“ Krawatte männlicher Duell-Teilnehmer (die wir zumindest bislang aber noch nicht in den Landesfarben gesichtet haben). Insofern ziehen solche Amerikanisierungs-Hinweise an dieser Stelle nicht, denn die @schlandkette ist im Vergleich zu #bindersfullofwomen, #horseswithbayonets und auch „Joe, the Plumber“ noch das am wenigsten genau zuzuordnende Element in der Reihe.
Sie ist allerdings auch nicht fehl am Platz und die durchaus starken Reaktionen im Netz zeigen, dass sie ihre Wirkung nicht verfehlt hat. Die nationalfarbige Halskette war Teil der staatstragenden Inszenierung der Kanzlerin, die sie in vielen Fällen wortreich während des Duells wiederholt hat, etwa bei den zahlreichen Verweisen auf ihre Gespräche mit Politikern von Welt oder der wichtigen Rolle Deutschlands in Europa. Damit wird die @schlandkette zum Gegenstück der flagpins, den Anstecknadeln in Gestalt des Star-Spangled Banner am Revers männlicher Debattenteilnehmer in den USA.
Montag, 2. September 2013 um 12:46 |
Das, was Du zu dem memetischen Gehalt von @schlandkette schreibst, bleibt meinem Empfinden nach auf halber Strecke stehen. Zunächst einmal: Ein Mem ist kein Symbol, und als ein solches definierst Du Merkels Kette am Ende Deines Textes. Ein Mem ist, um jetzt die Hardcore-Definition der Memetiker Dawkins, Blackmore et al. zu bemühen, ein Mem ist ein Replikator. Also irgendetwas, dessen Sinn darin liegt, repliziert zu werden. Wenn man überhaupt von Sinn dabei sprechen kann, weil die Replikation ein rein mechanischer Prozess ist und kein intentionaler. Dass Merkels Kette ein Äquivalent für flagpins ist, stimmt absolut. Es ist aber nicht der Grund, warum sich daraus @schlandkette entwickelt hat. Das ist nur der Resonanzraum, innerhalb dessen die Motivation zur Replikation sinnvoll erscheint, und bei dieser Motivation kann man schon eher von Sinn sprechen, weil hier intelligente und reflektierende Instanzen am Werk sind, die für die Replikation sorgen. Die Kette, also das Mem, schert das herzlich wenig. Obwohl so ein Resonanzraum wie staatstragende Inszenierung oder Dresscode oder Bundeskanzlerinnensein unabdingbar ist, kann man die Replizierbarkeit und die tatsächlich stattfindende Replikation aber nicht damit erklären. Denn dann müssten eine ganze Menge anderer Sachen ebenso häufig verbreitet werden. Damit etwas zu einem Mem wird, muss etwas konkret an ihm dran sein, damit es auffällt und aufgegriffen werden kann – der wohl wichtigste Aspekt bei der Netzwerk-Replikation: ein Mem wird nicht gemacht, ein Mem wird gefunden wegen seiner Auffälligkeit. Es ist, um es mit Rudolf Inderst zu sagen, ein „gefundenes Fressen“ für eine Meute, die sich auf etwas stürzt und desintegriert, und die sich dabei als eine auf eine gemeinsame Erfahrung oder Tätigkeit fokussierte Gemeinschaft erlebt. Das Auffällige nun, um endlich auf die Deutung des Mems @schlandkette zu kommen, an der Merkelschen Kette, war das gewollte Flagpin-Sein dieses Accessoires und letzlich das Scheitern dieser Inszenierung, weil sie als zu inszeniert erlebt wurde. In einer Performance, die wie erwartet auf völlige Routiniertheit, Unangreifbarkeit, Stromlinienförmigkeit und Uneindeutigkeit ausgelegt war, gab es ein einziges Detail das herausstach. Und in seinem sehr eindringlichen Nichts-Sagen, wie es das Tragen von Deutschlandfarben in Deutschland immer ist, war es perfekt anpassbar an alle möglichen Formen der Replikation. Man kann alles und jeden nun mit dieser Kette behängen, weil sie einmal aufgefallen ist, bleibt sie immer markiert und in jedem neuen Kontext markant. Man kann sie sogar personalisieren, wie es sofort mit dem Twitter-Account @schlandkette passiert ist. Das Camp-hafte dieser Inszenierung von Frau Merkel im TV-Duell sorgte für diese Auffälligkeit und dieses Aufgreifen – wobei wir es mit einem extrem laschen Camp zu tun haben, der nur im Vergleich zur Gleichförmigkeit des ganzen Rest so herausragend wurde. Immerhin: Die Farben waren noch nicht einmal in der richtigen Reihenfolge!
Montag, 16. September 2013 um 16:17 |
Ich finde dass es Zeit ist, die politische Themen zu diskutieren. Im Bundestag gibt es aber keine Opposition, mit Ausnahme von der Linkspartei. Zwar werde ich die nicht wählen, aber vor dem Hintergrund, dass sie die einzige Alternative im Bundestag zur Eurorettungspolitik, Syrienkrieg und Agenda2010 darstellt, müsste sie viel mehr Aufemrksamkeit bekommen. Bei http://www.medimess.de ist es aber genau umgekehrt: Frau Merkel ist allgegenwärtig, obwohl sie nichts sagt und die Linkspartei wird kaum in den Medien erwähnt…