Unter dem obigen Titel habe ich ein Jahr nach 9/11 einen kurzen Beitrag für das ARTE TV Magazin verfasst und mich mit den Folgen für die US-amerikanische Politik auseinandergesetzt. Leider scheinen einige Ahnungen und Entwicklungsperspektiven von damals noch immer aktuell, daher poste ich hier einmal einen Scan des Artikels (die Originaldatei liegt mir nach einigen Rechnerwechseln nicht mehr vor).
Grundsätzlich funktioniert die damals vorgenommene Dreiteilung der Effekte auf globale, nationale und lokale Folgen der Terroranschläge nach wie vor und an manchen Stellen ließe sich George W. Bush problemlos durch François Hollande ersetzen. Die Grundtendenz in der außenpolitischen Ausrichtung ist unverändert, im Artikel hieß es: „Mit Blick auf die globale Situation nach den Anschlägen dominiert eine harte, entscheidungsfreudige, aktivistische Linie – das Leitmotiv lautet „Kampf gegen den Terror.“
Es bleibt abzuwarten, inwiefern sich die „administrative Radikalkur“ auf innen- und sicherheitspolitischer Ebene auch in Frankreich entfaltet – in den USA wurden nach 9/11 nicht nur die Grundlagen für das heutige Überwachungsregime gelegt, sondern auch zahlreiche neue Ämter und Strukturen eingerichtet worden, die den Bereich der „Homeland Security“ neu definiert haben.
Allein auf lokaler Ebene fallen die Unterschiede auf – die Anschläge von Paris haben kein Monument der Stadtarchitektur niedergerissen, sondern suchten und fanden ihre Opfer in den Straßen und auf den Plätzen der Stadt. Die Erneuerung eines urbanen Leerraumes steht in Paris nicht an, bis die Risse und Schäden der Anschläge an der Seine verheilt sind, wird es aber vermutlich ähnlich lange dauern wie seinerzeit am Hudson.
Über die Strategien der Aufarbeitung lässt sich derzeit noch nicht viel sagen, mit den sozialen Medien ist zwischenzeitlich eine neue Sphäre der Erinnerungspolitik entstanden, die als Resonanzraum für Antwortversuche auf das Terrorgeschehen wirkt – Hashtags, Grafiken, Zeichnungen bilden eine erste Linie von Instant-Reaktionen auf die Anschläge. In der Stadt selbst (und auch anderswo) übernehmen blau-weiß-rote Lichtinstallationen die Aufgabe einer visuellen Mahnung, ganz ähnlich den 2002 errichteten „Towers of Light“. Im nächsten Schritt dürften andere kulturorientierte Reaktionen folgen, so wie es in New York Videobotschaften oder Spontankonzerte gegeben hat. Nach der gestrigen Schweigeminute um 12 Uhr dürften die Fußballspiele des heutigen Abends eine ähnliche Rolle übernehmen.
Zum ganzen Artikel: Die Summe aller Ängste, in: ARTE TV Magazin, Nr. 9/2002. S. 4.
Kommentar verfassen