Episode 1: Das politische System

Galaktischer Senat und Rat der Jedi-Ritter

von Christoph Bieber und Eike Hebecker
(Erstveröffentlichung ca. August 1999 auf politik-digital.de)

Endlich hat das Warten ein Ende. Nachdem die Originalversion ja schon seit einiger Zeit im Internet kursierte, kommt die dunkle Bedrohung nun auch im Kino über Deutschland.

„Episode 1“, zugleich Fortsetzung und Beginn der „Star Wars“-Saga, erreicht die Kinosäle. Zahlreich waren die Kommentare zum Film, doch dabei selten wohlwollend: Langweilig, hausbacken, einfallslos, enttäuschend – und, na gut, erfolgreich. Unter den wenig schmeichelhaften Attributen für das vermeintliche Kino-Highlight des Jahres fiel vor allem eines aus der Reihe: undemokratisch.

Bislang rief der millionenschwere Blockbuster nicht nur Fans und Filmkritiker auf den Plan, auch Kuratoren und Parodisten hatten bereits ihren Spaß. Angesichts der opulenten Bilderwelten von Regisseur George Lucas kommen Architekten, Stadtplaner und Kostümkundler auf ihre Kosten. Und wer hätte es gedacht: selbst für die Politikwissenschaft ist etwas dabei.

Allerdings haut das handlungstreibende Szenario des Handelskrieges schon im ausgehenden 20. Jahrhundert unserer Galaxie kaum noch internationale Beziehungsforscher oder politische Ökonomen vom Hocker. Die im Vorspann als Grund für den schwelenden Konflikt beschriebenen Probleme der Besteuerung von Handelswegen ist schon jetzt ein Auslaufmodell. Sogar auf unserem Planeten zerbricht man sich die Köpfe über kniffligeren Problemen beim immateriellen Güterverkehr oder verursachen die Tücken der Copyright-Gesetzgebung tiefe Denkfalten auf der Stirn.

Und überhaupt: anderswo im Universum sind längst die praktischen Replikatoren en Vogue, das Reisen erfolgt im Transporterstrahl und Wurmlöcher erlauben quadrantenweite Sprünge über Milchstraßengrenzen hinweg. Die Vorstellung von besteuerbaren Handelswegen mit Anfang und Ende erscheinen im Zeitalter von Hyperdrives, Pod Racern und Kampfrobotern einigermaßen anachronistisch.

Und auch die Konstruktion des politischen Systems der „Republik“ ist offenbar älteren Datums, Auskunft gibt das offizielle StarWars-Manual. Die beiden wesentlichen Säulen der galaktischen Sternenpolitik – der Galaktische Senat und der Rat der Jedi-Ritter – residieren auf dem Verwaltungsplaneten „Coruscant“. Der Planet gilt als „Juwel der Kernwelten und als Zentrum des bekannten Universums. Beinahe die gesamte Fläche des Planeten ist bedeckt von einer unendlichen Megalopolis, deren Fundamente schon mit dem Beginn der Alten Republik gelegt wurden, vor mehr als tausend Generationen.“

Der „Galaktische Senat“ übernimmt die Rolle eines interplanetarischen Parlaments, in den jede Mitgliedswelt der Republik Mitglieder entsenden kann. „Mehr als tausend Senatoren versammeln sich regelmäßig im Kuppelsaal der Obersten Senatskammer, teilen ihre Einsichten, diskutieren Probleme und bringen Lösungen auf den Weg.“ Dabei herrscht strikte Gleichberechtigung: „Jede Welt ist im Senat repräsentiert und auch der kleinste Planet kann eine Petition einreichen, um seine Stimme zu Gehör zu bringen.“

Dem Senat zur Seite steht der Rat der Jedi-Ritter, deren zwölf Mitglieder sich im Balkonzimmer hoch über dem Stadtplaneten versammeln: „Der Tempel steht innerhalb einer Ansammlung niedriger Gebäude, die sich ehrfurchtsvoll um den majestätischen Bau der Jedi-Kaste gruppieren. Sowohl die Jedi Meister, Ritter und Schüler (Padawans) haben ihre Quartiere innerhalb des Tempels, nahe bei den Trainingshallen.“ Die Rolle der Jedis hat Jürgen Kaube in der FAZ recht treffend als Synthese aus Cowboy, Mönch und Unternehmensberater charakterisiert. In der Tat ist es eine Hauptaufgabe des Jedi Rates, „die Aktivitäten ihrer weitreisenden Abgesandten zu planen und zu beurteilen. Über Tausende von Jahren waren die Jedi-Ritter Hüter von Frieden und Gerechtigkeit in der ganzen Galaxie.“

In diese Symbiose aus leicht schwerfälliger galaktischer Planetenvertretung und „think tank“ mit direktem Draht zur „Macht“ tritt in Gestalt des stets als Hologramm auftretenden Bösewichtes „Darth Sidious“ der Störfaktor, der das über Generationen gewachsene Gefüge aus dem Gleichgewicht bringen will. Zunutze macht er sich dabei die stets mächtiger werdende Bürokratie, die die weiterhin eifrig diskutierende Abgeordnetenversammlung lähmt.

Aktueller Kommentar:

Insbesondere in den USA sind im Vorfeld des Filmstarts von The Force Awakens schon einige Texte erschienen, die sich mit politischen Aspekten des neuen Kapitels der Saga befassen. Empfohlen sei vor allem der Beitrag von Patrick Thaddeus Jackson und Daniel Nexon, zwei Politikwissenschaftlern an der American University in Washington. Unter dem Titel There’s a moral order baked into that ‘Star Wars’ galaxy that’s far, far away skizzieren sie einerseits zentrale Ansatzpunkte einer „Politik von Star Wars“, andererseits beschreiben sie auch die grundsätzlichen Probleme, die eine Auseinandersetzung mit fiktionalen Welten erschweren. Wichtig ist dabei, deren inhärente Logik tatsächlich auch anzuerkennen.

But if you’re going to use a fictional universe to make an argument, you have to adhere to the basic rules of that universe. Not everyone does.

Mit Blick auf die politische Ordnung erkennen auch sie gewisse systemische Unstimmigkeiten, weisen zugleich aber auch auf die Stabilität der Republik hin:

For instance, we enjoy efforts to explain the downfall of the Galactic Republic by pointing to its structural deficiencies — its reliance on the Jedi Order or the lack of a “strong minority party.” But such efforts need to reckon with the “fact” (within the fictional universe) that the Republic lasted for over a thousand years — far longer than any contemporary political system — despite these putative problems.

Der Beitrag von Jonathan Ladd konzentriert sich auf einen dieser Konstruktionsfehler der Galaktischen Republik und setzt sich mit der Rolle der Jedi-Ritter auseinander (The Problem with the Galactic Republic was the Jedi). Die institutionelle Einbettung des Ordens als beratendes Gremium mit einer eigenen Organisations- und Führungsstruktur wird als wichtiger Grund für die Anfälligkeit der politischen Struktur benannt:

Like many aspects of the Galactic Republic’s political structure, the exact relationship between the Jedi and the Senate is left vague. Leading Jedi do consult in the movies with the chancellor (who is elected by the Senate). But the Jedi have a parallel leadership structure, the Jedi Council, and are socialized to be at least as loyal to it as to the Senate.

 

Eine Antwort to “Episode 1: Das politische System”

  1. Das Erwachen der Macht? Zur Politik von Star Wars | Internet und Politik Says:

    […] Wochenthema: Digitale Medienversorgung Episode 1: Das politische System […]

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