Heute ist in Salvador der Tag des paralisação, der Tag des Stillstands, der Lähmung des öffentlichen Lebens – nein, das ist kein öffentlicher Feiertag, sondern das Resultat eines Streikaufrufs der Frente Brasil Popular (etwa „Brasilianische Volksfront“ – wer hier an Monty Python denkt, liegt vielleicht nicht ganz falsch, doch die Sache ist eine ernste Angelegenheit).
In dieser Gruppe organisieren sich zahlreiche Verbände, Organisationen und Bewegungen des linken Spektrums, insbesondere mit einem Fokus auf die Jugend, Frauen, Menschen afro-brasilianischer Herkunft, die LGBT-Community aber auch Regionalverbände und Arbeiter- bzw. Berufsgenossenschaften. Für manche ähnelt das Bündnis der spanischen Podemos-Bewegung, aktuell formuliert es massive Kritik an den ersten Entscheidungen und Richtungsänderungen unter Michel Temer, der nach dem Amtsenthebungsverfahren gegen die wiedergewählte Präsidentin Dilma Rousseff die Regierungsverantwortung an sich gezogen hatte (vgl. hier). Im Zentrum der Proteste stehen Einschnitte im Bildungswesen, das im besonderen durch Umverteilung staatlicher Zuschüsse zu leiden hätte. Der Slogan ist knapp und eingängig: Fora Temer! – Temer, hau ab!
(Update 1: Dazu passt ein erneuter Angriff der vormaligen Präsidentin Rousseff auf ihren ehemaligen Running-Mate Temer – sie wirft ihm die unrechtmäßige Annahme von Spendengeldern während der gemeinsamen Kampagne in 2014 vor (vgl. hier). Es bleibt zu fragen, wie eine solche Aktion auf die Bevölkerung wirkt – in der aktuellen Gemengelage ist eher davon auszugehen, dass es die Ablehnung gegenüber der politischen Elite verstärkt. Bereits bei den Kommunalwahlen im Oktober hatte sich die Zahl der Nicht- oder „Weißwähler“, die sich der hier geltenden Wahlpflicht durch ein Ungültigmachen der Stimme entzogen haben, deutlich erhöht. Die Verlängerung der Fehde der beiden politischen Spitzenkräfte und die Behandlung durch die Gerichte wird das politische Klima in Brasilien jedenfalls kaum beruhigen.)
Allerdings sind die Effekte der Protest-Bewegung bislang kaum messbar – in den Kommunalwahlen haben in den großen Städten verlässlich die Kandidaten des konservativen Lagers gewinnen können. In einer Stadt wie Salvador regiert nach den Wahlen der mit übersoliden 75% ins Amt gewählte Antônio Carlos Magalhães Neto und fährt dort ein Infrastruktur- und Sicherheitsprogramm, das bei der lokalen (Wahl-)
Bevölkerung offenbar ganz gut ankommt.