Archive for the ‘Mediensysteme’ Category

Die Internetintendanz (Addendum)

Mittwoch, 8. Mai 2019

Ende April ist in der Medienkorrespondenz ein „Leitartikel“ erschienen, an dem ich eine ganze Weile gemeinsam mit Leonhard Dobusch und Jörg Müller-Lietzkow gearbeitet habe. Unter der Überschrift Die Internetintendanz haben wir eine Reihe von Ideen und Impulsen entwickelt und zur noch recht knappen Skizze für eine „zeitgemäße öffentlich-rechtliche Medienplattform“ zusammengetragen.

Vor allem Leonhard hat die Unternehmung seit dem vergangenen Jahr maßgeblich vorangetrieben und u.a. auch bei der 2018er re:publica einen Talk dazu gehalten. Auch in seiner sehr schönen – gerade erst für den Grimme Online Award nominierten – Reihe Neues aus dem Fernsehrat drüben bei Netzpolitik.org hat er unser wesentliches Thema immer wieder aufgegriffen: Wie könnte eine moderne und demokratiepolitisch wertvolle Vision für public service media aussehen?

Der Ansatz einer Internetintendanz ist sicher ein spezifisch deutscher Versuch des „Aufbohrens“ vorhandener Strukturen, der natürlich noch sehr viel feiner gestaltet werden kann und muss. An manchen Stellen gibt es bereits weiter führende Überlegungen, etwa zu den verschiedenen Modellen zur Konstruktion der Gremienaufsicht, im MK-Text in Fußnote 13 knapp skizziert:

Denkbar sind dabei unterschiedliche Modelle zur Konstruktion der Gremienaufsicht. Strukturierungsmaßstäbe für die Zusammensetzung könnten zum Beispiel die Anzahl der Bundesländer sein, ein Proporz entlang der aus den Beitragsmitteln geförderten Sendeanstalten oder auch eine differenzierte Staffelung nach deren Reichweite. Grundsätzlich soll diese Komponente nicht mehr als zwei Drittel des Aufsichtsgremiums umfassen und von einem Nutzer:innen-Panel flankiert werden.

Ergänzend dazu nun an dieser Stelle die etwas ausführlichere Darstellung der drei Strukturierungsvorschläge zur Gremienaufsicht: das Bund-/Ländermodell, die Variante der Erweiterten Senderparität und schließlich das Senderreichweitenmodell. Die jeweiligen „Vorbilder“ der Modelle sind unschwer zu erkennen, sie stammen aus der Politik und sind an der ein oder anderen Stelle im Einsatz (nicht unbedingt nur in Deutschland). Deutlich wird dabei allerdings auch der Trend, dass die Modelle komplizierter werden, je präziser die Repräsentationsverhältnisse gestaltet werden – die Beschwerden über „zu viel Bürokratie!“ sind beinahe schon zu hören…

Uns geht es mit dem Impuls nach wie darum, nicht nur auf bekannte Modernisierungsprobleme und -schmerzen hinzuweisen, sondern auch einige konkrete Vorschläge zu entwickeln, was zukünftig vielleicht anders sein könnte. Die Struktur und Organisation der Gremienkontrolle gehört dazu.

 

VORSCHLAG A: Bund-/Ländermodell (27 Personen)

Jedes Bundesland benennt eine*n Verantwortlichen und entsendet diese*n als Vertreter*in in einen übergreifenden Kontrollausschuss, hinzu kommen zwei Vertreter*innen des Bundes. Ein Nutzer*innenrat aus 9 Personen ergänzt das Gremium.

 

VORSCHLAG B: Erweiterte Senderparität (36 Personen)

Jedes Aufsichtsgremium einer in der ARD organisierten Landesrundfunkanstalt benennt zwei Verantwortliche und entsendet diese als Vertreter in einen übergreifenden Kontrollausschuss, gleiches gilt für den Hörfunkrat des Deutschlandradios. Das ZDF entsendet 4 Vertreter/innen aus dem Fernsehrat. Ein Nutzer*innenrat aus 12 Personen ergänzt das Gremium.

 

VORSCHLAG C: Gestuftes Senderreichweitenmodell (36 Personen)

Die Aufsichtsgremien der in der ARD organisierten Landesrundfunkanstalten benennen abgestuft nach der Einwohnerzahl des Sendegebiets bis zu drei Verantwortliche und entsenden diese als Vertreter in einen übergreifenden Kontrollausschuss. Rundfunkräte mit mehr als 10 Millionen Einwohnern im Sendegebiet (WDR, SWR, NDR, BR) sowie der Fernsehrat des ZDF benennen 3 Vertreter/innen, Rundfunkräte mit 5-10 Millionen Einwohnern im Sendegebiet (MDR, HR, RBB) benennen 2 Vertreter/innen, Rundfunkräte mit weniger als 5 Millionen Einwohnern im Sendegebiet (SR, RB) sowie der Hörerrat des Deutschlandradios benennen je 1 Vertreter/in. Ein Nutzer*innenrat aus 12 Personen ergänzt das Gremium.

*Update 1:  Die Internetintendanz war auch Thema der re:publica 2019 – sagt zumindest Markus Beckedahl (@netzpolitik) in einem Radio-Beitrag für SWR2.

*Update 2: Auch der Beitrag von Hermann Rothermund vom 8.5.2019 in der FAZ zielt in eine interessante Richtung, er fordert ein generelles Wahlmodell zur Einrichtung der Rundfunkräte. Die Diskussion geht weiter, stay tuned!

 

Wochenthema: Digitale Medienversorgung

Samstag, 21. November 2015

Am Dienstag (24. November) nehme ich im Düsseldorfer Landtag an einer Anhörung zur Novelle des WDR-Gesetzes teil – eingeladen hat der Medienausschuss, ab 13.30 Uhr ist ein Livestream zur Veranstaltung geplant. Thematisch passt das ganz gut, denn am Mittwoch nehme ich außerdem an der #DigiKon15 teil, so lautet der Kurztitel zur Tagung Die digitale Gesellschaft der Friedrich-Ebert-Stiftung.

In beiden Fällen werde ich meine Anmerkungen zu den Herausforderungen der Digitalisierung für öffentlich-rechtliche Medienanbieter vorstellen. Dabei steht für mich weniger die Entwicklung neuer digitaler Formate im Vordergrund (das können andere viel besser), mein Fokus liegt stattdessen auf den veränderten Publikumskonstellationen, die sich in den letzten zwei Jahrzehnten durch die Entstehung digitaler Öffentlichkeiten ergeben haben. Mediennutzung ist inzwischen stets auch Medienproduktion – diesen Prozess haben öffentlich-rechtliche Anbieter noch nicht ausreichend nachvollzogen und darauf reagiert (kommerziellen Anbietern geht es allerdings ähnlich).

Zu selten wird bei all den Neuerungen im Medienbereich auf die formale Organisation öffentlicher Rundfunkanbieter geachtet – der 2013 vollzogene Wandel von der gerätebezogenen Rundfunkgebühr zum haushaltsbezogenen Beitrag markiert dabei eine wichtige Zäsur. Die Zuschauer werden zum Stakeholder (Tom Buhrow), und aus dieser veränderten Beziehung resultieren aus meiner Perspektive zahlreiche Optionen (und Pflichten) für den Umgang zwischen Medienanbieter und Publikum. Von einen wirklichen Stakeholder-Dialog kann jedoch noch keine Rede sein.

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Vom Gebührenzahler zum Stakeholder?

Mittwoch, 4. Juni 2014

Heute abend tritt Intendant Tom Buhrow zum zweiten Mal an zum WDR-Check – einer Art Townhall-Meeting, bei dem Zuschauerfragen zu Sender und Programm beantwortet werden, aber auch Gesprächs- und Diskussionssequenzen zu einigen Themenschwerpunkten geplant sind. Die Live-Übertragung aus dem Landschaftspark Nord in Duisburg beginnt um 20.15 Uhr, der zugehörige Hashtag ist #wdrcheck.

In diesen Rahmen passt der Hinweis auf einen kurzen Beitrag zum Rollenverständnis von Sender und Publikum, das durch die Veränderungen im Beitragswesen (Umstellung von geräteabhängiger Gebührenzahlung zu haushaltsbezogenem Rundfunkbeitrag) beeinflusst und verändert wird. Der nachfolgende Text ist erschienen in Ausgabe Nr. 8 des studentischen Magazins Hammelsprung, das an der NRW School of Governance herausgegeben wird. Das Schwerpunktthema war Politik und Medien – gefährliche Nähe oder notwendige Distanz?

Dazu gleich noch ein passender Disclaimer: Seit August 2013 bin ich Mitglied im WDR-Rundfunkrat.

 

Vom Gebührenzahler zum Stakeholder
Der Rundfunkbeitrag verändert das Rollenverständnis von Sender und Publikum

Nach jahrzehntelangen Ausbau und einem zunehmend auf Konkurrenz angelegten Säulenmodell trifft das Duale Rundfunksystem auf die Herausforderungen der Digitalisierung – und steuert dabei zielstrebig auf eine ganze Reihe von Modernisierungskonflikten zu.

In den Fokus geraten ist in diesem Prozess die Umstellung der Rundfunkfinanzierung von einer „Gebühr“ auf einen geräteunabhängigen „Beitrag“. Nachdem sich der Rauch des öffentlichen Streits um „Demokratieabgabe“ (Jörg Schönenborn) oder „Zwangssteuer“ (Handelsblatt) ein wenig gelegt hat, ist zu fragen, inwiefern die Art der Öffentlichkeitsfinanzierung die komplexen Vorgaben der deutschen Rundfunkverfassung verwirklicht.

Eine zentrale Anforderung ist dabei der Erhalt einer „Markt- und Staatsferne“ als Leitbild der Medienversorgung nach dem „Public Service“-Modell. Die Prinzipien der „Grundversorgung“ mit sachlicher Berichterstattung, einer „Belehrung, Bildung und Unterhaltung“ des Publikums sowie das „Entwicklungsgebot“ zur technologischen Sicherstellung von Sendefähigkeit und Angebotsvielfalt unterstützen dabei die Neuordnung – diese an das Konstruktionsprinzip der British Broadcasting Corporation (BBC) angelehnten Eckpfeiler sind in den verschiedenen Rundfunkurteilen des Bundesverfassungsgerichts festgeschrieben.

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In eigener Sache: WDR-Rundfunkrat

Freitag, 19. Juli 2013

Im Februar hatte die NRW-Landtagsfraktion der Piratenpartei die ihr zugeordneten Plätze im WDR-Rundfunkrat ausgeschrieben und damit den Versuch unternommen, dem bislang üblichen Zuteilungsverfahren eine Alternative entgegenzusetzen. Nicht nur, weil ich damals gerade in meiner Vorlesung „Medien, Kommunikation, Politik“ über die Modernisierung des Dualen Rundfunksystems gesprochen und mich mit den Herausforderungen der Digitalisierung für den Mediensysteme auseinandergesetzt habe, erschien mir eine Bewerbung als konsequente Weiterführung und Ergänzung des wissenschaftlichen Interesses am Thema.

In der vergangenen Woche nun hat sich die Piratenfraktion entschlossen, mich als ordentliches Mitglied für den Rundfunkrat vorzuschlagen, daraufhin hat der Landtag diese Entsendung beschlossen.

In der Pressemeldung der Piratenfraktion zur inzwischen erfolgten Besetzung wird der Hintergrund des Verfahrens noch einmal kurz erläutert:

Im Gegensatz zur Praxis der anderen Parteien, teilweise aktive Landespolitiker in den WDR-Rundfunkrat zu entsenden, hat sich die Piratenfraktion NRW für ein gänzlich anderes Verfahren entschieden: die beiden Kandidaten wurden im Rahmen eines öffentlichen Ausschreibungsverfahren in mehreren Bewerbungsrunden von der Fraktion ausgewählt.

Ich freue mich sehr über das mir entgegengebrachte Vertrauen und die verantwortungsvolle Aufgabe – es gibt einige Themen, die ich gerne in den Arbeitsprozess einbringen möchte und die sich insbesondere mit den gesellschaftlichen Folgen der Digitalisierung im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks befassen: das sind unter anderem die zukünftige „Finanzierung von Öffentlichkeit“ in der vernetzten, digitalen Medienumwelt, die Herausforderungen an eine moderne Medienethik, aber auch die Organisation gesellschaftlichen Feedbacks und die Rückkopplung eines zunehmend aktiven Publikums.

In der nächsten Zeit werde ich hier im Blog über die Entwicklung der Tätigkeit in diesem Gremium berichten. Stay tuned.

In eigener Sache: Frankfurt

Samstag, 4. Juni 2011

Am kommenden Donnerstag (9.6.) nehme ich am Frankfurter Tag des Online-Journalismus (#FTOJ) teil. Die Veranstaltung wird vom Hessischen Rundfunk im Verbund mit evangelisch.de, der epd medien und dem EKD-Medienbeauftragter organisiert und hat den etwas gewöhnungsbedürften Titel Von App-Land bis Arabien – Wie Gesellschaft und Journalismus neu verdrahtet werden. In der Ankündigung wird ein weites Feld umrissen:

Apps neben Websites, soziale Netzwerke neben klassischen Newsanbietern, Amateure neben Profis, eine Vielzahl von offenen und geschlossenen Plattformen. Das alles multimedial, sozial, hyperlokal und in Echtzeit. Die Medienwelt funktioniert nicht nur nach neuen Regeln, die Regeln ändern sich auch noch ständig.
In den vergangenen Monaten erlebten wir den Boom der Apps und den Start des Datenjournalismus in Deutschland, die überraschende Rolle sozialer Medien in der arabischen Welt und ganz neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Bürgern und Journalisten.

Unter dem Titel Öffentlichkeit 2.0 oder nur Skandal total? – Politische Kommunikation im Internet darf ich den letzten Vortrag des Tages (Nr. 7, 15.30 Uhr) beisteuern und an der abschließenden Podiumsdiskussion teilnehmen. Dieses Panel ist mit der doch etwas bangen Frage Und wo bleibt der Journalismus? überschrieben.

In den Planungen zur Veranstaltung im Frühjahr hatte ich zunächst erwogen, die Aktivitäten rund um das „Guttenplag“ in den Mittelpunkt zu stellen – was angesichts der inzwischen erfolgten Nominierung zum Grimme Online Award nicht völlig verkehrt gewesen wäre. Angesichts der seitdem aber fortschreitenden Debatte um ein emerging networked fourth estate (Yochai Benkler) setze ich aber wohl doch einen stärkeren Akzent auf die großflächigen Umbauarbeiten der Medienlandschaft, die sich in der Folge der WikiLeaks-Enthüllungen andeuten.

Benklers Idee einer vernetzten vierten Gewalt ist nicht allein deshalb interessant, weil er sehr genau auf die Verflechtungen zwischen WikiLeaks und etablierten Medienakteuren eingeht und dabei insbesondere auch die presserechtliche Dimension betrachtet (man könnte auch sagen: die öffentlichkeitsrechtliche Dimension). Er betont das konstante Framing von WikiLeaks als journalistisches Projekt (vor allem durch Assange selbst) und wertet die zahlreichen „Attacken“ auf WikiLeaks als Gegenreaktion von medialem wie politischem Establishment auf einen neuen Konkurrenten. Allerdings verzichtet Benkler dabei auf die plakativere (und hierzulande häufiger zu hörende/lesende) Charakterisierung von WikiLeaks als fifth estate, als fünfte Gewalt. Die journalistische Dimension von WikiLeaks ist demnach vor allem in einer „neuen Verdrahtung“ (HR/EKD, siehe oben) bereits bestehender Medienakteure und -systeme zu suchen.

Dieser These einer Integration von WikiLeaks in ein bereits bestehendes Akteursnetzwerk, das dadurch zumindest in Teilen eine neue Gestalt erhält, stehen auch radikalere Ansätze gegenüber, die WikiLeaks als etwas genuin Neues verstehen – ein Beispiel ist die hier im Blog schon mehrfach zitierte Einschätzung von Jay Rosen, es handele sich hier um die erste stateless news organisation. Auch Felix Stalders Verortung von WikiLeaks im Bereich des Medienaktivismus könnte hier erwähnt werden – für ihn ist das Leaking dabei auch Folge und Ausdruck einer weitreichenden Krise politischer und gesellschaftlicher Institutionen, WikiLeaks mithin eher ein Symptom für einen Zustand und erst in zweiter Linie ein autonomer Akteur.

In meinem auf 20 Minuten begrenzten Frankfurter Vortrag werden sicher nicht alle Punkte ausführlich besprochen werden können – aber trotzdem ergibt sich hier ein grober Fahrplan für die Präsentation. Auf die Skizzierung der verschiedenen WikiLeaks-Effekte (z.B. Konjunktur, Ethik, Echo, Ökonomie des Lecks) folgt die Konzentration auf die Auswirkungen in Richtung medialer Akteure und Systeme. Neben den theoretischen Implikationen für eine Beschreibung vernetzter Öffentlichkeiten gilt es dabei auch auf konkrete Veränderungen im Bereich des Journalismus hinzuweisen: der Boom der Leaking-Portale, von Open Leaks über Greenleaks, dem investigativen „Rechercheportal“ von Der Westen oder Al-Jazeeras „Transparency Unit“ bis hin zum etwas unbeholfen wirkenden taz-Projekt „unileaks“ deutet darauf hin, dass sich auch für die journalistische Praxis bereits jetzt einige Veränderungen ergeben haben.

Und genau darum geht es ja beim Tag des Online-Journalimus. Glaube ich jedenfalls.

Im Südwesten nichts Neues

Donnerstag, 17. März 2011

Der doppelte Duell-Mittwoch zehn Tage vor den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg brachte keine neuen Erkenntnisse bezüglich der Schwierigkeiten des deutschen Mediensystems mit dem prominenten Format der Konfrontation zweier (!) Spitzenkandidaten. Die Debatte im Vorfeld, wer denn nun zur wahlkampfpraktisch und -taktisch wichtigsten TV-Sendung zugelassen wird, entbehrte im dreifach umkämpften Baden-Württemberg jeder vernünftigen Basis. Zu den Möglichkeiten einer gerechten Teilnehmerselektion habe ich mich schon mehrfach geäußert, inzwischen verwende ich auf diese Windmühlendebatte keine Energie mehr (die Kollegen Faas und Maier haben drüben bei Zeit Online das wesentliche zusammengefasst).

Ohne ins inhaltliche Detail der Debatten gehen zu wollen, hier nur ein paar kurze Anmerkungen.

1. Der öffentlich-rechtlich zuständige Regionalsender SWR hatte alle Hände voll zu tun, denn zwei zeitgleich stattfindende TV-Duelle vor Landtagswahlen sind meines Wissens ein Novum. Das regt Spekulationen an, warum beide Diskussionen unbedingt parallel ausgetragen werden mussten. Streng genommen nehmen sich die Sendungen ja keine „Wähler“ weg, denn jeder Zuschauer darf maximal in einem Bundesland wählen – allerdings gibt es durchaus Politikinteressierte (und nicht nur solche mit professionellem Hintergrund), die sich beide Duelle anschauen möchten. Bezüglich der Einschaltquoten dürfte sich der Sender hier also selbst im Weg gestanden haben, denn die Gleichzeitigkeit erzwang entweder ein Hin- und Herschalten oder die Entscheidung für eine Debatte. Gründe für die (gewollte) Kollision von TV-Duellen mit anderen (Fernseh-)Ereignissen finden sich üblicherweise auf Seiten zögerlicher oder in die Defensive geratener Redner, die absichtlich die Reichweite minimieren wollen, um präventive Schadensbegrenzung zu betreiben. Insgesamt bleiben hier einige Fragen offen – auf die man dank der restriktiven Informationspolitik von Sendern und Parteien keine Antworten erwarten darf.

2. Selbst innerhalb des SWR waren unterschiedliche „Duell-Kulturen“ zu erkennen. Beim rheinland-pfälzischen Duell zwischen Ministerpräsident Kurt Beck und Herausforderin Julia Klöckner wurde die (gute) „Single Moderator“-Lösung mit einer zumindest ansatzweise konfrontativen Aufstellung der Gesprächspartner eingesetzt. Die Anordnung der Stehpulte als nahezu gleichseitiges Dreieck erlaubte den drei Beteiligten durchaus direkte Blickkontakte, so dass ein unmittelbarer Dialog sowohl zwischen Moderator und Gesprächsgast, wie auch zwischen den Kontrahenten untereinander möglich war. In Baden-Württemberg wurde dagegen die bereits in einigen Duellen als überaus problematisch empfundene „Doppelmoderation“ eingesetzt – zwei Journalisten redeten mit zwei Politikern, mit einer Duell-Situation hat das nichts mehr zu tun. Nicht nur reduzierte sich auf diese Weise die Redezeit von Ministerpräsident Stefan Mappus und „Herausforderer“ Nils Schmid, die Kommunikationssituation ist insgesamt anfälliger und verläuft weniger direkt, die Folge ist oft eine „Entschärfung“ der Debatte. Darüber hinaus war auch die Studiogeometrie auf Besänftigung gepolt, Moderatorentisch und Rednerpulte waren als gestrecktes, gleichschenkliges Dreieck angeordnet, so dass die Kandidaten mit nahezu gleicher Blickrichtung nebeneinander standen. Eine direkte Ansprache des Kontrahenten wurde somit von vornherein erschwert.

3. Beide Duelle wurden mit einem Livestream auch ins Internet übertragen. Das ist gut so und (leider) keine Selbstverständlichkeit – noch das Kanzlerduell 2009 zwischen Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier wurde als „exklusives TV-Angebot“ deklariert und nicht online ausgestrahlt. The times, they are a-changing. Im Netz selbst gab es dann wieder Unterschiede – neben dem Duell-Stream aus Mainz liefen Facebook-Kommentare den Bildschirm hinunter und das Stuttgarter Livebild wurde mit Kommentaren aus der Uni Hohenheim ergänzt. Dort bewerteten in einem „Live-Experiment“ 200 Bürger das Duell-Geschehen, und ein kommunikationswissenschaftliches Forscherteam lieferte via Twitter kurze Infos zu den Live-Reaktionen vor Ort. Die Kombination von Fernsehbild und Live-Feedback ist zwar durchaus ein Novum in der deutschen Duell-Geschichte, doch mutet diese Darreichungsform inzwischen schon etwas old-schoolig an: bei den „MP Debates“ in Großbritannien im vergangenen Jahr war das Echtzeit-Feedback auf Twitter direkt in das Fernsehbild integriert worden.

4. Wollte man die Debatten vollständig im Netz verfolgen, gerieten sich die beiden Duelle vollends in die Quere – das begann mit einem kleinen Hashtag-Chaos, denn es gabe keine klare Fixierung auf (jeweils) ein Duell-Kürzel (eine Auswahl: #tvduell, #duellbw, #ltwbw, #ltwrp, #ltw11, #ltwtvbw), und in der Twitter-Suche vermischte sich das gleichzeitige Feedback zu beiden TV-Debatten. Ohne adäquate Datenerhebung (zB via Twapperkeeper.com) sind klare Aussagen natürlich schwierig, aber insgesamt schien das Stuttgarter Duell online eine größere Resonanz zu erzeugen. Das dürfte auch daran gelegen haben, dass durch den Ausschluss des aussichtsreichen grünen Spitzenkandidaten Winfried Kretschmann automatisch eine klare Kritikerschaft formiert wurde. Konsequenterweise wurde über den zentralen Twitter-Account @GrueneBW eine permanente Gegenstimme erhoben und eine angemessene Form der rapid response formuliert.

Als Fazit bleibt demnach die Feststellung, dass TV-Duelle in Deutschland nach wie vor ein hochgradig ambivalentes Format bleiben. Ungeachtet der tatsächlichen Reichweite ist es eine exponierte und exklusive Wahlkampfplattform, deren Teilnehmer begünstigt und Außenstehende degradiert werden. In einer zunehmend komplexeren Wahlkampfsituationen mit oft mehr als zwei aussichtsreichen Parteien resultieren hierdurch fast zwangsläufig Ungerechtigkeiten. Als Folge stellt sich umgehend die Frage nach „Ausgleichsformaten“ für die so genannten kleinen Parteien – zumal für jene, die mit der Fünf-Prozent-Hürde kämpfen und sich durch Fernsehauftritte ihrer Galionsfiguren zumindest kleine Aufmerksamkeits-Dividenden erhoffen. Durch die oft unkorrekte Fokussierung auf die beiden „alten“ Volksparteien CDU und SPD verliert das TV-Duell auch seine Glaubwürdigkeit als politisches Bildungsangebot – dies wurde am Duell-Mittwoch im Südwesten vor allem mit Blick auf die japanische Nuklearkatastrophe und den daraus abgeleiteten Folgen für die deutsche Atompolitik als Wahlkampfthema deutlich.

Debattieren in der Premier League

Montag, 12. April 2010

Es gibt in dieser Woche auch noch andere Themen als deutsche Blogger und das Social Media Gathering mit dem Namen Re-Publica (vgl. dazu Twitterthemen und Trendsmap).

Der Blick nach Großbritannien ist ganz interessant, und zwar wegen einer Premier League, die nichts mit Fußball zu tun hat: es mag überraschend klingen, aber die am Donnerstag beginnende Serie von drei TV-Debatten ist tatsächlich eine Premiere in der bekannt diskussionsfreudigen Westminster-Demokratie – bislang gab es dort keine Live-Konfrontation der Spitzenkandidaten. Im Vorfeld der Unterhauswahlen am 6. Mai laden zunächst die Privatsender ITV (15.4.) und Sky (22.4.) ein, bevor die altehrwürdige BBC die Mini-Serie mit einer Übertragung am 29.4. abschließt.

Die TV-Runden, bei denen neben Premierminister Gordon Brown und seinem konservativen Herausforderer David Cameron auch der Liberale Nick Clegg antreten darf, sind aber nicht die einzige Innovation des diesjährigen Medienwahlkampfs auf der Insel, es findet außerdem auch eine „Facebook & YouTube Digital Debate“ statt – gewissermaßen als bürgerorientierter Komplementär zu den arg verregelten Fernsehdebatten.

Auch schon während der TV-Debatten dürfte es einige Online-Aktivitäten geben – besonders spannend sind natürlich die Live-Reaktionen bei Twitter, die abermals zeigen werden, dass das Internet als Resonanzraum für Großereignisse in den alten Massenmedien immer wichtiger wird. Als zentraler Hashtag scheint sich#leadersdebate heraus zu kristallisieren, allgemeine Informationen zur general election finden sich unter #ge10 bzw. #ge2010.

Ich habe mir die Debattenansätze für beide alte und neue Medienumgebungen einmal angesehen, dabei sind zwei kleine Texte entstanden. Wann, wo und in welcher Form sie erscheinen ist noch nicht ganz klar – stay tuned.

Here we go: Unter dem Titel Politiker trifft (fast auf) Bürger ist soeben ein Beitrag bei Spiegel Online erschienen. Im Mittelpunkt steht dabei die Verschränkung von TV und Internet im Umfeld der Debatten. Die Gestaltung des  TV-Formates wird dagegen im Text TV-Debatte mit Brown, Cameron, Clegg und 76 Regeln bei CARTA näher vorgestellt. Hier finden sich auch einige Vergleiche mit den Debatten in den USA und Deutschland.

Promille-Rechner

Donnerstag, 22. November 2007

„Wer soll sich darüber noch wundern? ARD und ZDF haben, nach einem Bericht der Gebührenkommission KEF, mehr Geld für ihre Online-Auftritte ausgegeben, als sie dürfen.“ Mit diesem gallig-resignativen Stoßseufzer beginnt ein knapper Kommentar von miha in der FAZ (auch nachzulesen hier, im kürzlich renovierten Online-Angebot von faz.net).

In der Sache berichet der Frankfurter Medienjournalist ja nichts falsches, doch schaut man etwas genauer auf die Zahlen, beginnt das Grübeln. Okay, 34 Millionen Euro sind kein Pappenstil, und um diese Summe haben die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten das ihnen zugestandene Budget von ca. 240 Millionen Euro überzogen. Im zuletzt durch Frank Schirrmachers seltsame Internet-Rede angeheizten Streitklima zwischen alten, elektronischen und neuen Medien mag eine solche Meldung ja durchaus Anlass zum Ärgern geben – dennoch wirkt es aber etwas merkwürdig, wenn man sich einmal die Dimensionen in Bezug zu den Gesamtaufwendungen des öffentlich-rechtlichen Etats ansieht.

miha schreibt weiter über die verschwenderische Ausgabenpolitik der Sender: „Der (Rundfunkstaatsvertrag) nämlich legt fest, dass sie exakt 0,75 Prozent ihres gesamten Jahresetats fürs Internet ausgeben dürfen. Bei der ARD liegt der tatsächliche Prozentsatz nun aber bei 0,84 Prozent, beim ZDF sogar bei 0,9 Prozent. Auch das Deutschlandradio liegt mit 0,81 Prozent über der Schwelle.“

Ja, du meine Güte! Die Überziehungen liegen also im Promillebereich des Gesamthaushalts. An dieser Stelle weiß man nicht mehr, ob man weinen oder lachen soll – Gründe genug hat man für beides. Da ist die Plumpheit des Kommentars, der sich in ziemlich billiger Art und Weise an der Stimmungsmache im Kampf gegen die scheinbar überfinanzierte Online-Konkurrenz beteiligt. Da ist das unerhört hohe Gesamtbudget, aus dem die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten schöpfen, um dann ein größtenteils schauerliches TV-Programm und ein nur stellenweise modernes Online-Angebot anzubieten. Und vor allem: da ist das erhebliche Missverhältnis der Ausgaben zwischen Online- und Onscreen-Produktionen, auf das miha leider mit keinem Wort eingeht.

Was uns nämlich eigentlich interessiert: wie verhalten sich denn Aufwand und Ertrag der Ausgaben öffentlich-rechtlicher Medienanbieter im Vergleich zwischen Fernseh- und Internet-Produktionen? Inwiefern werden ARD, ZDF & Co. ihrem Informationsauftrag und dem Entwicklungsgebot zur Verbreitung auf allen technologisch notwendigen Kanälen gerecht? Was bedeuten denn die „34 Millionen Euro“ in Bezug zu den Rechten an der Fußball-Bundesliga, zu den Verträgen mit teuren talking heads wie BeckmannKernerWillMaischberger, oder zu den Geldpaketen, mit denen Spätunterhalter wie Schmidt & Pocher an die Sender gebunden werden? Wie sieht es etwa aus im Vergleich mit den Kosten je Sendeminute, die für TV-Eigenproduktionen im Unterhaltungs- oder Informationsbereich anfallen?

Auch hierzu gibt es durchaus Material, sogar auch von der KEF – und selbst wenn der letzte online verfügbare Bericht aus dem Jahr 2005 stammt, so wäre ein solcher Quervergleich etwas aufschlussreicher als die simple Stimmungsmache mit Blick auf den Promilleüberzug. Schade.

Ein anderer 11. September

Freitag, 14. September 2007

Das lange erwartete Urteil des Bundesverfassungsgerichts im „Gebührenstreit“ ist da. Am 11. September verkündete der Erste Senat, dass der Klage von ARD, ZDF und Deutschlandradio stattgegeben wird (die vollständige Entscheidung). Wie nicht anders zu erwarten, rauscht seitdem der Blätterwald.

Die FAZ produziert Kommentare in Serie (Reinhard Müller gleich zwei Mal auf Seite 1 (12.9., 14.9., Marcus Theurer im Wirtschaftsteil am 12.9.) , auf der Medienseite weicht Michael Hanfeld (11.9.) umherfliegenden Sektkorken aus (Intendanten in Champagnerlaune) und hält mit seiner Einschätzung der Lage nicht hinter dem Berg („als lebten die Verfassungsrichter in einer Zeitschleife“).

Die FR nimmt das Urteil zwar leicht beunruhigt zur Kenntnis, doch überwiegt hier eher der interessierte Blick nach vorn, etwa im Überblicksbeitrag „Ohne Geldsorgen ins digitale Zeitalter“ oder im beigestellten Interview mit Uwe Kammann, Direktor des Grimme-Instituts und Co-Autor der Studie „Zur Qualitätsdiskussion öffentlich-rechtlicher Fernsehprogramme“).

Auch in München ist die Empörung groß, Kurt Kister skizziert in seinem Text für die SZ ein wahres Schreckensregime des „Örrf“ – ein Zufall, dass sich diese spöttische Abkürzung des öffentlich-rechtlichen Fernsehehns lautmalerische Anleihen bei der „RAF“ nimmt? Wohl kaum, spricht Kister doch auch von den „Örrf-Gefangenen“. Sind wir schon im deutschen Medien-Herbst? Doch es gibt im Blatt auch positivere Einschätzungen, vor allem der Kommentar von Heribert Prantl zum „Nährwert des Fernsehens“ schlägt andere Töne an:“Das Gericht, und das ist der eigentliche Wert des Urteils, hat die Entscheidung über die Gebühren zum Anlass genommen für eine juristische und politische Hymne auf die Rundfunkfreiheit und die demokratische Bedeutung der öffentlich-rechtlichen Sender. Es warnt davor, die Sender politisch kontrollieren zu wollen und die Rundfunkgebühren-Gesetze dabei als Tatzenstock zu benutzen, mit dem man den Intendanten auf die Finger schlägt.“

Während die taz in der Begleitberichterstattung und Kommentierung des Urteils eher blass bleibt, berichtet sie jedoch ausführlich von der ARD-Hauptversammlung und den dort präsentierten Überlegungen zur so genannten „Digital-Strategie“, deren Verwirklichung und Ausbau nach Meinung der Verantwortlichen nun nicht mehr viel im Wege steht (vgl. dazu auch die Einschätzung der ZEIT).

Auch im Netz ist das Urteil ein Thema, allerdings fast nur in den Online-Ablegern der Printmedien (Hallo Medien-Blogger, wo seid Ihr?). Gewohnt informiert erläutert Robin Meyer-Lucht (Sieg für den Staatsfunk) die komplexe Gemengelage, hält das Verfassungsgerichtsurteil für ein Echo aus der Vergangenheit und beklagt das zunehmend selbstherrliche Gebahren der regionalen Rundfunkfürsten. PikanterLustigerweise erscheint der Text im Angebot von Spiegel Online, das der Autor gerade mal zwei Wochen zuvor im SZ-Magazin einer kritischen Sichtung unterzogen hatte.

Nun fehlen noch die Akteure selbst: Klar, dass die öffentlich-rechtlichen Sender das Urteil begrüßen war zu erwarten, doch der Tonfall in dem der ARD-Vorsitzende Fritz Raff den Verfassungsrichtern auf die Schulter klopft, stützt schürt die Arroganz-These: „Karlsruhe hat Weitsicht bewiesen“ lautet die gönnerhafte Überschrift der Pressemitteilung zum Gebührenurteil. Ähnlich klingt zum gleichen Thema die Meldung des ZDF.

Überraschend zurückhaltend äußert sich dagegen der vermeintliche Hauptgegner der öffentlich-rechtlichen Sender, der Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts.

Erwartungsgemäß not amused ist man dagegen bei cdu-basis.de – die Mitgliedervereinigung kritisiert die Entscheidung scharf und verweist auf das bereits im August vorgestellte Reformmodell, das u.a. einen „bürgerlichen Kontrollrat“ vorgesehen hatte. Dadurch sollten partizipative Elemente in die Medienordnung eingeführt und eine Alternative zur Finanzkontrolle durch die KEF etabliert werden.

Auf das schnelle Feedback sollte eine präzisere Lektüre des Karlsruher Urteils erfolgen, die einer etwas weiter gehenden Kommentierung wohl vorausgehen sollte. Als Kostprobe nur ein kleiner Auszug (BVerfG, 1 BvR 2270/05 vom 11.9.2007, 116)

a) Anlass der gesetzlichen Ausgestaltung der Rundfunkordnung ist die herausgehobene Bedeutung, die dem Rundfunk unter den Medien wegen seiner Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft zukommt (vgl.BVerfGE 31, 314 <325>; 90, 60 <87>; 97, 228 <256>; 103, 44 <74>; 114, 371 <387> ; vgl. auch EGMR, Urteil vom 5. November 2002 – Beschwerde-Nr. 38743/97 – Demuth gegen Schweiz, EuGRZ 2003, S. 488 <491>, § 43; Urteil vom 10. Juli 2003 – Beschwerde-Nr. 44179/98 – Murphy gegen Irland, § 69; stRspr). Seine Breitenwirkung zeigt sich in der Reichweite und der Möglichkeit der Beeinflussung großer Bevölkerungsteile. So prägen die audiovisuellen Massenmedien seit langem bei den meisten Bürgern große Zeiteinheiten des Tagesablaufs (zur Dauer des Fernsehkonsums vgl. Zubayr/Gerhard, MP 2007, S. 187 <188>). Die Aktualität des Hör- und Fernsehfunks folgt daraus, dass Inhalte schnell, sogar zeitgleich, an die Rezipienten übertragen werden können. Die besondere Suggestivkraft des Mediums ergibt sich insbesondere aus der Möglichkeit, die Kommunikationsformen Text und Ton sowie beim Fernsehfunk zusätzlich bewegte Bilder miteinander zu kombinieren und der programmlichen Information dadurch insbesondere den Anschein hoher Authentizität zu verleihen (vgl. dazu BVerfGE 97, 228 <256> ). Diese Wirkungsmöglichkeiten gewinnen zusätzliches Gewicht dadurch, dass die neuen Technologien eine Vergrößerung und Ausdifferenzierung des Angebots und der Verbreitungsformen und -wege gebracht sowie neuartige programmbezogene Dienstleistungen ermöglicht haben.

Ich geh´ dann schon mal zum Drucker und fülle das Papier nach…

Updates: Der lesenswerte Telemedicus aus Münster hat eine recht ausführliche Synopse zum Urteil vorgelegt (vgl. Kommentar) // turi2.de hält eine kleine Zusammenfassung mit frühen Reaktionen bereit.

Rundfunk 2.0

Montag, 27. August 2007

Es bewegt sich ´was in der Debatte um die Umgestaltung, Neuorganisation, oder einfach: Modernisierung des dualen Rundfunksystems Mediensystems in Deutschland. Und zwar beinahe gleichzeitig, an ganz unterschiedlichen Stellen. Das ist einerseits kein schlechtes Zeichen, weil offenbar an mehreren Enden des Diskurses die Dringlichkeit des Themas angekommen ist. Auf der anderen Seite führt es zu einem teilweise fulminanten Durcheinander.

Allein in der vergangenen Woche haben

a) der Parteivorstand der SPD den Leitantrag Die Chancen der digitalen Welt nutzen – Anforderung an eine neue Medienordnung für den Bundesparteitag in Hamburg beschlossen (20. August);

b) RTL und Prosieben-Sat.1 in einem Schreiben an mehrere Ministerpräsidenten massive Bedenken hinsichtlich der Wettbewerbsvorteile von ARD und ZDF formuliert und einen drohenden Arbeitsplatzabbau bei den Privatsendern skizziert (vgl. Bericht in stern.de vom 22. August);

c) die etablierten Player ARD und ZDF ihre Digitalstrategie dagegen verteidigt und insbesondere auf der Rechtmäßigkeit der Einrichtung digitaler Nachrichtenkanäle beharrt (23. August);

d) SpiegelOnline über das harte Vorgehen der GEZ gegen das Online-Portal Akademie.de berichtet, dem die Verwendung des Begriffes „GEZ-Gebühren“ untersagt werden soll (24. August);

e) die Mitgliedervereinigung cdu-basis.de ein Konzept für den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk Deutschlands vorgestellt (25. August).

Für die klassische Sommerloch-Zeit nicht übel.

Auf welch kompliziertem Weg sich die weitere Diskussion entwickeln wird, ist auch dann schon zu erkennen, wenn der Blick nur auf die politischen Impulsgeber der Medienentwicklung gelenkt wird und medienökonomische oder medientechnische Segmente ausgeblendet bleiben (von den medienrechtlichen oder gar medien-theoretischen Aspekten oder einer normativen Perspektive soll hier erst gar nicht die Rede sein).

So sieht der Leitantrag der SPD das Internet in einer durchaus zentralen Rolle in einer neuen Medienordnung: „Neue Medien müssen dabei immer ein Teil des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sein, er muss sie voll abdecken können. Mit solchen Angeboten neuer Art, wird es möglich neue Zielgruppen zu erreichen und damit eine mediale Generationenspaltung der Bevölkerung zu vermeiden.“

Die anderweitig medien-affine cdu-basis.de favorisiert dagegen ein radikal übersichtliches Rundfunkkonzentrat aus nur je einem Fernseh- und Hörfunksender und weist die „Neuen Medien“ in sehr enge Schranken: „Alle weiteren genutzten Verbreitungswege haben an das Hörfunk- und Fernsehprogramm angegliedert zu sein. Neben dem Hörfunk- und Fernsehangebot sind dritte Säulen nicht zulässig.“

Nun bleibt abzuwarten, inwieweit diese Positionen zum Gegenstand der offiziellen Parteipolitik werden (die SPD ist hier offenbar schon etwas weiter als die CDU) und sich dort eine nennenswerte Dynamik entfalten können.