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Off-Topic: Sneaker meets Menschenhaar

Sonntag, 20. Mai 2007

Update (3. Juni 2007): Das Sport-Feature Nachspiel im Deutschlandradio Kultur sendet heute ab 17.30 Uhr ein Special mit dem Titel Der Schuhkrieg.

Originalbeitrag: Am 20. Mai ging die beeindruckende Werkschau des Kanadiers Brian Jungen in der Münchner Villa Stuck zu Ende. Auf zweieinhalb Etagen wurden dabei zahlreiche Zeichnungen und Objekte des Kanadiers (*1970) präsentiert, darunter auch die Prototypes for New Understanding – eine zwischen 1998 und 2005 entstandene Werkgruppe, bei denen Jungen Serien von Nike-Turnschuhen derart kunstvoll zerschnitten und re-kombiniert hat, dass einem Angst und Bange werden kann.

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„Die Bezüge reichen von den Tier- und Geisterfiguren der zeremoniellen Masken der Nordwestküste Kanadas bis zu den Ikonen der Popkultur wie Darth Vader aus der Star Wars-Reihe, oder Optimus Prime, einem Comic-Roboter aus der Serie Transformers.“ (Kommentar aus der Ausstellung)

Jungen bevorzugt Modelle aus der Air Jordan-Reihe von Nike in den Farbstellungen schwarz-weiß-rot, da diese Farben auch die Zeremonienmasken der kanadischen Ureinwohner dominieren. Für den Betrachter entsteht in der Vermischung von archaischem Kultgegenstand und High-Tech-Materialfragmenten ein seltsames Zwitterwesen aus Kultur und Konsum. – verstärkt wird der Hybrid-Effekt bei einigen Objekten durch die Applikation von Menschenhaar als zusätzlichem Gestaltungselement.

Zwar sind Sneaker schon lange in der Gegenwartskunst angekommen, doch meistens fungieren sie als naheliegendes visuelles Signet einer mehr oder weniger gelungenen Konsumkritik. Zum Beispiel in Gary Simmons´ Ensemble Line up (1993), einer Reihe goldlackierter Sportschuhpaare. Simon Woods inszenierte sich mit In Security (1999) als Sicherheitsbeamter neben einem hell erleuchteten Schrein, der einen übergroßen Swoosh enthielt. Beinahe subtil wirkte dagegen Marc Bijls klobige Betonskulptur Symbolic (2002) in der Stuttgarter Ausstellung „Die Einsamkeit der Zeichen“ – sie hatte die Form des Nike-Firmenlogos Swoosh.

Im Rahmen von Brian Jungens recht kompliziertem Verweissystem zwischen Kult und Technik, Kultur und Konsum, Eigentum, Unterdrückung und Befreiung entstehen jedoch tatsächlich neue Bedeutungsräume (eben die Prototypen eines neuen Verständnisses, die er im Titel benennt).

Nebenbei: Auch über die Anbetung von Sportstars (und insbesondere von Michael Jordan) als Heilsfiguren wurde schon einiges geschrieben, unter anderem dies: „Was zur Religiosität fehlt, ist das Element des Transzendenten, des Heilsbringenden. Wer die Schuhe von Michael Jordan kauft, weiß, daß er damit niemals wirklich so spielen können wird wie der Star selbst.“ (das steht hier, auf Seite 92).

Bei den Jungen-Masken ist das etwas anders. Beim Anschauen gewinnt man den Eindruck, dass das „Tragen der Schuhe“ hier kein Distanzerlebnis sein, sondern tatsächlich etwas magisches haben könnte. So nah am Kult wie hier war „Air Jordan“ wohl noch nie.