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Duell am Rhein

Donnerstag, 22. April 2010

Am kommenden Montag findet in Düsseldorf das „Das Duell“ zwischen Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) und der SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft statt. Veranstaltender Sender ist der WDR, die Debatte beginnt um 20.15 Uhr und dauert 60 Minuten – die Sprint-Variante wie bereits 2008 in Niedersachsen (Duell-Trivia: wer kann ohne digitale Hilfsmittel den Namen des damaligen SPD-Kandidaten aufsagen? Und welcher heutige Bundesminister ging damals im so genannten „kleinen Duell“ an den Start?).

Die in der Kölner Vulkanhalle ausgetragene Diskussion wird moderiert von Jörg Schönenborn und Gabi Ludwig – warum nur stellt der WDR ein Duo an den Fragetisch? Gerade die schlechten Erfahrungen aus dem „Kanzlerduell“ vom vergangenen Herbst sollte Abschreckung genug vor zu vielen Moderationsposten sein. Sicher ist, dass dadurch die ohnehin schon knapp bemessene Redezeit von Rüttgers und Kraft noch weiter reduziert wird. Es ist davon auszugehen, dass die Kandidaten von Thema zu Thema hetzen, dabei wenig Überraschendes von sich geben und die Moderation selbst dann noch störend wirkt, wenn sie nur lenkend eingreifen möchte.

Insgesamt kommt der vermeintliche Wahlkampfhöhepunkt jedoch eher unscheinbar daher – die mediale Orientierung auf ein zentrales Kampagnen-Ereignis lässt lange auf sich warten. Eine ordentliche „Debatte vor der Debatte“ fand (bisher) nicht statt, wenn doch noch etwas folgt, dann wird es nur ein kleines Vorgeplänkel sein – und keine groß inszenierte Positionierung der Kandidaten als gute oder schlechte Rethoriker.

Dennoch wollen wir am kommenden Montag ein kleines Experiment durchführen – gemeinsam mit Thomas Pfeiffer (@codeispoetry) von webevangelisten.de habe ich einen kleinen Versuchsaufbau entwickelt, um möglichst viele Tweets mit debattenbezogenen Inhalten für eine unmittelbare Kommentierung sowie für eine wissenschaftliche Nachbearbeitung zu sichern. Das wichtigste Hashtag dafür dürfte #nrwduell sein, außerdem beachten wir natürlich die Namen der Teilnehmer, Parteikürzel sowie den zuständigen TV-Sender. Eine kleine Sammlung der wichtigsten Twitterthemen zur Landtagswahl ist ebenfalls in Vorbereitung.

Ein paar Fingerübungen im Umfeld der britischen Prime Minister Debates haben schon recht spannende Daten hervor gebracht, auch die zeitnahe Abbildung wesentlicher Themen und Trends scheint gut möglich. Am Montag wollen wir erste Ergebnisse unmittelbar nach der Debatte an der NRW School of Governance in Duisburg präsentieren, ebenfalls dort führt der Kollege Thorsten Faas (Uni Mannheim) eine Real-Time-Response-Messung durch. Es wird spannend sein zu beobachten, wie sich die Resultate des zweigleisigen Debatten-Monitoring ergänzen (oder auch nicht).

Das Duell am Rhein wird am Montag nicht annähernd die Dimension der britischen Debatten erreichen: während der Debattenpremiere am 15. April sammelte der Dienstleister Tweetminster insgesamt 184.396 Tweets von 36.483 Nutzern. Bei der zweiten Auflage am 22. April ging das 140-Zeichen-Aufkommen ein wenig zurück, gesichert wurden „nur“ noch 142,795 Tweets (-41,601) von 28,790 Nutzern (-7,693). Diese Größenordnung führte auch zu erheblichen Reichweiten-Erfolgen der britischen Politik – während und kurz nach den Debatten erschienen die Namen der drei Teilnehmer sowie das allgemeine Hashtag #leadersdebate in den trending topics bei Twitter. Dort sind politische Themen eher selten zu Gast, europäische Ereignisse erst recht.

Auch wenn das Aufeinandertreffen von Rüttgers und Kraft bei weitem nicht die mediale Prominenz erreicht wie die Debattenserie vor den Unterhauswahlen, so wird sich auch hier der Trend zur Echtzeit-Begleitung eines wichtigen Wahlkampf-Ereignisses im Internet fortsetzen.

In eigener Sache: Nachlese

Samstag, 5. September 2009

Die Landtagswahlen im Saarland, Sachsen und Thüringen (#sst) im Verbund mit den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen (#nrw09) markierten den endgültigen Startschuss für den Bundestagswahlkampf 2009 (#btw09).

Die meisten Beobachter seufzen erleichtert: endlich!

(Ach ja: Eine Zusammenfassung der Ereignisse des Wa(h)lsonntags findet sich hier. Siehe dazu auch die, hm, konstruktive (?) Kritik drüben bei Homo Politicus).

Am Tag nach der Wahl hagelte es Anfragen zu einem aus meiner Sicht eher nebensächlichen Thema: der vorzeitigen „Veröffentlichung“ so genannter Exit-Polls etwa eineinhalb Stunden vor Schließung der Wahllokale. Die im Laufe der Woche folgende öffentliche Entrüstung über das „Twitter-Leck“ oder die „Twitter-Panne“ beschäftigte die alten Medien bis über die Wochenmitte hinaus (die #FAZ reservierte noch am Donnerstag dafür zwei begehrte Plätze auf der Homepage Titelseite). Die Neugier der Agenturen führte schließlich zu einigen eher abseitigen Erwähnungen, etwa im schweizerischen Qualitätsblatt 20minuten, dem New Zealand Herald sowie den GulfNews (Link nicht mehr verfügbar). Man beachte hier besonders die profunde Zitation!

In Deutschland schnatterten die etablierten Pressevertreter um die Wette, mehr oder weniger aufgeregte Berichte gab es zum Beispiel bei Focus Online, in der Süddeutschen, auf heute.de oder beim Handelsblatt (hier besonders schön: die umgehende Korrektur/Richtigstellung/Zurechtweisung durch den hauseigenen Online-Experten).

Für mich ist diese „Medienpanik“ so etwas wie die Essenz  des Internet-Jahres 2009: im Zeichen von #Zensursula wird das Netz als Bote für die Überbringung von Nachrichten abgestraft, die von vielen nicht wirklich verstanden werden, weil das Verständnis für grundlegende Wirkungsmechanismen der Online-Kommunikation fehlt (dieser Absatz in 140 Zeichen).

Sei´s drum – der Wahlkampf tritt nun in seine entscheidende Phase und passend dazu sind in der zweiten Wochenhälfte noch einige weitere Materialien erschienen: ein längeres, erfreulich positiv kommentiertes Interview für HR-Online, der erste Teil einer elektrischen Reportage aus dem Maschinenraum des Web-Wahlkampfs, sowie ein weiteres Gespräch mit dem Wiener Standard. Die Radio-Beiträge in 1Live und dem RBB/Inforadio sind nicht mehr online, das längere Kontext-Format (mp3) in SWR2 dagegen schon.

Schon etwas älter ist das sehr fundierte Dossier der ZEIT über eine neue Oppositionsbewegung, dem Vernehmen nach folgt etwas ähnliches demnächst bei einem großen Nachrichtenmagazin aus Hamburg.

Und was kommt jetzt? Das eigentliche Medienhighlight des Wahlkampfs steht schon vor der Tür – am 13. September findet in Berlin-Adlershof das so genannte TV-Duell zwischen Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier statt. Das ist zwar ein „originäres TV-Format“, so die Ausrichter ARD, ZDF, RTL, ProSieben.Sat1 – es wird aber auch Folgen im Internet haben.  Nicht nur bei Zattoo. Stay tuned.

In eigener Sache: Erfurt

Dienstag, 25. August 2009

Am Sonntag ist mal wieder Wahl im Web: im Saarland, Sachsen und Thüringen (Twitter: #sst) finden Wahlen statt. Vier Wochen vor der Bundestagswahl natürlich eine letzte Standortbestimmung, aber vor allem – Landtagswahlen. Das inzwischen bewährte Format feat. Moderator Markus Kavka erfährt also eine Neuauflage, diesmal wird aus Erfurt gesendet. Als Location dient der Centrum Club – im thüringischen Landtag, dort wird die Hauptsendung des ZDF produziert, gab es keine geeigneten Räumlichkeiten. Okay, es ist ja auch einiges unterzubringen, schließlich twittern @Herr_Marx, @malte_politicus und @fabianpingel um die Wette, vier Webscouts beobachten die Online-Ereignisse nach 18 Uhr, @markuskavka braucht Auslauf und ich suche mir einen bequemen Lounge-Chair Clubsessel.

Worüber aber wird berichtet?

Die Wahlgebiete haben sich bisher nicht als Klassenbeste in Sachen Internet hervorgetan, der aktuelle (N)onliner-Atlas führt die drei Länder auf den Plätzen 1 (Saarland), 2 (Thüringen) und 5 (Sachsen) im Offliner-Ranking. Nach der Methodik der Studie sind „Offliner“ jene Menschen, die das Internet zum Zeitpunkt der Befragung nicht nutzen und auch in den nächsten 12 Monaten keine Online-Nutzung planen. Im Saarland gehören 34,4 % der Befragten in diese Kategorie, in Thüringen sind es 33,6 %, in Sachsen 30,3 %. Am anderen Ende der Skala rangiert Berlin – in der Hauptstadt verweigern sich nur noch 23,6 % langfristig dem neuen Medium. Möglicherweise herrschen also nicht die besten Bedingungen für das Führen interaktiver Online-Wahlkämpfe auf den beteiligungsorientierten Plattformen des Web 2.0.

Und es gibt noch weitere Überlegungen, die in diese Richtung weisen: in „#sst“ erzielt die Linkspartei zumindest in den Umfragen recht solide Werte – im Saarland 16 %, in Sachsen 20 % und in Thüringen zuletzt 23% (vgl. die SpOn-Wahlzentrale). Folgt man der Analyse der Kollegen Schoen und Falter zur Bundestagswahl 2005, dann darf man davon ausgehen, dass die Linkspartei nicht in erster Linie auf Internet-affine Wähler abzielt:

Über mehrere Wahlen hinweg war die PDS von Menschen mit hoher formaler Bildung, Beamten, Angestellten und Arbeitslosen bevorzugt gewählt worden, wobei es sich häufig um ehemals Privilegierte des DDR-Systems gehandelt hatte. Arbeiter und Personen mit niedriger formaler Bildung, die als gleichsam natürliche Wähler einer traditionellen Linkspartei erscheinen könnten, zeigten sich dagegen der PDS gegenüber relativ reserviert. Das änderte sich 2005. Nun stimmten Menschen mit formal niedriger Bildung, Arbeitslose und Arbeiter überdurchschnittlich häufig für die Linkspartei. Der Linkspartei.PDS ist es also 2005 gelungen, verstärkt in soziale Gruppen vorzudringen, die ihr vorher eher fern gestanden hatten. Gemessen an ihrer Attraktivität in verschiedenen sozialen Gruppen, hat sie sich – überspitzt formuliert – von einer Elitenpartei in Richtung einer Unterschichtpartei entwickelt.

Zu verbinden ist diese Darstellung mit den Resultaten der ARD/ZDF-Offlinestudie 2009 – neben dem Alter wird dort auf den Bildungsgrad als wesentlicher Grund für die Internet-Abstinenz verwiesen:

Nicht nur durch das höhere Alter, sondern auch durch die Nicht-Berufstätigkeit lassen sich die Offliner charakterisieren. Auch wenn der Anteil unter  den Nicht-Berufstätigen seit Jahren sinkt, so sind es 2009 immer noch knapp zwei Drittel in dieser  Gruppe, die kein Internet nutzen – vor fünf Jahren aren es noch über drei Viertel. Damit zeigt sich erneut der starke Zusammenhang zwischen Internetnutzung und Beruf.

Unmittelbar gekoppelt mit den Zahlen der Linkspartei sind aber die Werte für die SPD – bisher stets eine tragende Säule mit Blick auf den Online-Wahlkampf. Während sich im Saarland der „neue Mann“ Heiko Maas noch halbwegs stabil (26 %) als Haupt-Herausforderer von Ministerpräsident Peter Müller präsentiert und vor allem mit einigen formal auffälligen YouTube-Videos punktet, sind die Sozialdemokraten in Sachsen (20 %) und Thüringen (14 %) nur noch dritte Kraft. Weitaus stärker als die dürftigen Prognosen wirkt sich aber die dünne Personaldecke auf die Online-Performance aus – die einfache Formel lautet hier: weniger Parteimitglieder, weniger Online-Wahlkampf. Der thüringische Landesverband notiert im Juli 2009 nur 4.374 Mitglieder, in Sachsen sind es mit 4.230 potenziellen Bloggern, Twitterern oder Facebook-Freunden mit Parteibuch sogar noch etwas weniger. Geradezu opulent mutet dagegen das Reservoir im Saarland an, dort sind zum 31.7.2009 immerhin noch 21.593 Genossen registriert.

Doch auch die anderen Parteien machen nicht unbedingt durch forcierte Digitalisierung auf sich aufmerksam – und warum auch? Gleich mehrere Kontextbedingungen begünstigen einen klassischen Medienwahlkampf und auch der Obama-Effekt scheint allmählich nachzulassen. Nicht mehr jede Online-Aktivität deutscher Politiker – zumal auf Landesebene – wird in eine Reihe mit der spektakulär erfolgreichen Internet-Kampagne des US-Präsidenten gestellt. Ein Grund dafür ist sicher der größere zeitliche Abstand zur Obamania zu Jahresbeginn, ein anderer Grund trägt den Doppelnamen Schäfer-Gümbel. Gerade Landespolitiker müssen seit dem hessischen Landtagswahlkampf im Januar mit der gewagten, aber letztlich erfolgreichen Internet-Strategie von @tsghessen konkurrieren – das #sst-Spitzenpersonal aber unternimmt erst gar nicht den Versuch, die Online-Aktivitäten in ähnlicher Weise ins Zentrum der Kampagne zu stellen wie der an der Urne zwar unterlegene, in der eigenen Partei aber gefestigte Mittelhesse.

Angesichts solcher Rahmenbedingungen führt die Recherche fast automatisch in Richtung der Piratenpartei – doch ach: die netzaffine Bande führt einzig in Sachsen ihre Armada in die Schlacht (sorry, diese Seefahrts-Metaphern schreiben sich fast von alleine). In den beiden anderen Bundesländern führt dies zu einer Annäherung an die Grünen – während man sich in Thüringen zu einer durchaus formalen Kooperation durchringen konnte, sieht das im Saarland noch etwas anders aus. In Sachsen dagegen steht die Piratenpartei am 30. August sehr wohl auf dem Stimmzettel, allerdings nicht am 27. September. Die Begründung dafür lautet:

Der Landesverband Sachsen, erst am 08.08.2008 gegründet und deswegen noch in der Aufbauphase, sah sich, konfrontiert mit der am 30. August und damit fast zeitgleich mit der Bundestagswahl stattfindenden Landtagswahl, außerstande, beide Ereignisse ihrer Wichtigkeit gemäß zu bearbeiten und entschloss sich deshalb auf eine Teilnahme an der Bundestagswahl zu verzichten.

Wie clever diese Entscheidung gewesen ist, wird sich zeigen – die Debatte um das „Zugangserschwerungsgesetz“ jedenfalls hat in Ursula von der Leyen (aka #Zensursula) ihre Personifizierung gefunden, gilt aber vor allem als bundespolitisches Thema.

All diese Faktoren deuten zwar darauf hin, dass die „Wahl im Web“ sich am Sonntag mit einem Online-Wahlkampf in der Offline-Zone auseinandersetzen muss. Ich würde sagen, es gibt schlechtere Ausgangspositionen für einen spannenden Wahlabend im Netz.

Was e Gebabbel!

Freitag, 5. Dezember 2008

Soeben drüben bei carta.info erschienen – ein kleiner Text zur aktuellen Wahlkampf-Situation in Hessen, hier der Vorspann:

Die Neuauflage des hessischen Landtagswahlkampfs ist im Gange und eine wesentliche Entscheidung scheint bereits gefallen – die Leidtragenden sind die Wählerinnen und Wähler: Fernsehdebatten, im Januar diesen Jahres noch als gewinnbringende Innovation und reichweitenstarkes politisches Bildungsformat gefeiert, wird es bei der Neuauflage der Wahl wohl nicht geben. Das ist bedauerlich.

Passend zum Thema auch die neuen Daten des ZDF-Politbarometer (reißerisch: Schwarz-gelbe Mehrheit in Sicht): demnach liegt die CDU bei 41%, die SPD bei 26%, FDP und Grüne bei 12%, die Linkspartei bei 5%. Interessanter als die Momentaufnahme der Sonntagsfrage scheinen die Daten zu den Spitzenkandidaten – nur 41% der Befragten hätten Roland Koch „lieber“ als Ministerpräsident (was für eine knallharte Frageformulierung!), immerhin 34% nennen an dieser Stelle Thorsten Schäfer-Gümbel. Der „Sinkflug“ der SPD war erwartbar, die Positionierung des Spitzenkandidaten nicht unbedingt.

Zum Vergleich, nur mal so: beim HessenTREND von Infratest dimap im November 2007 lag Roland Koch mit 43% vor Andrea Ypsilanti mit 24%…

Groundhog Day

Sonntag, 9. November 2008

Die Zeiten ändern sich: Mit dem Namen Schäfer-Gümbel wäre man vor einigen Jahren noch eine Frau gewesen und in der FDP.

(Danke, Mario Sixtus!)

Es gibt also wieder Wahlen in Hessen (voraussichtlicher Termin: 18. Januar 2009). Der o.g. SPD-Kandidat hat einen mittelhessischen Hintergrund, erfüllt die ein oder andere Quote, aber nicht diese hier:

Greser & Lenz vom 8.11.2008, via faz.net.

Hamburg wählt (nicht digital)

Freitag, 22. Februar 2008

Bildleiste via dotvote.de

Eigentlich hatte die Stadt Hamburg die (analoge) Modernisierung des Wahlrechts auch gleichzeitig zu einer digitalen Modernisierung der Stimmabgabe zu nutzen: ein elektronischer Wahlstift sollte eingesetzt werden, um die Zählung des erhöhten Stimmaufkommens zu erleichtern und zu beschleunigen.

Um das neuartige Wahlgerät einem ersten Praxistest von Akzeptanz und Handhabbarkeit zu unterziehen, wurde die Bundestagswahl 2005 für eine Pilotstudie genutzt. Hier wurde in zwei Hamburger Wahlbezirken mit insgesamt 1.998 Wahlberechtigten mit dem digitalen Wahlstift gewählt. Auf die – positive – Studie folgte der Entschluss, das digitale Wahlstiftsystem zu kaufen und bei der Bürgerschaftswahl und den Bezirksversammlungswahlen im Februar 2008 flächendeckend einzusetzen.

Doch daraus wurde leider nichts, denn „die Fraktionen der Hamburgischen Bürgerschaft haben sich im November 2007, wenige Wochen vor den Wahlen, jedoch überraschend dafür entschieden, den Digitalen Wahlstift doch nicht einzusetzen.“

(Mitarbeit: Christopher Harth)

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Hamburg wählt (analog)

Freitag, 22. Februar 2008

Nach nur vier Wochen Wahlpause steht bereits die nächste Landtagswahl, am Sonntag wird über die Zusammensetzung der Hamburger Bürgerschaft abgestimmt. Pünktlich zum Wahltermin erhält auch die zuletzt ein wenig abgekühlte Diskussion über die Regierungsbildung in Hessen neues Feuer: durch die Rede vom „Wortbruch“ der SPD hinsichtlich der Möglichkeit einer durch die Linkspartei tolerierte rot-grüne Minderheitsregierung.

Darum geht es hier jedoch nicht, und auch nicht um den im Vergleich zu Hessen (und Niedersachsen) erheblich avancierteren Online-Wahlkampf. Dazu gäbe es zwar schon einiges zu schreiben, etwa über das CDU-Videoportal OLE TV (siehe auch NS-TV), die Podcasts der SPD, sowie natürlich die FDP und ihr vieldiskutiertes Video mit dem Spitzenkandidaten Hinnerk „Gaylord“ Fock (und Sky du Mont).

Leider viel zu wenig Beachtung finden in diesem Trubel nämlich die Bemühungen der Hamburger Innenbehörde zur Vorbereitung, Organisation und Durchführung der Wahl. Neben den Standard-Infos im traditionellen Gewand der Behördenmitteilungen wurde ein gut sortiertes Themenportal entwickelt, das unter www.24-februar.de zahlreiche Register der digitalen Wählerbildung zieht.

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Recount?

Montag, 28. Januar 2008

Schon gestern abend deutete sich an, dass der Einsatz von Wahlgeräten in acht hessischen Gemeinden ein Nachspiel haben dürfte. Hier nochmal der entsprechende Blog-Eintrag:

20.49 Uhr

In einigen Weblogs gibt es Berichte vom Wahltag, z.B. hier von einer versuchten Wahlbeobachtung in Obertshausen (via Sven Borkert). Zahlreiche weitere Hinweise finden sich auch im Beitrag Bananenrepublik Hessen (via Ralphs Piratenblog).

An diesen Stellen und auch anderswo (sehr gut: ein Twitter-Feed zur Wahlbeobachtung vom Sonntag) entfaltet sich gerade seit heute mittag eine überaus spannende Sammlung und Diskussion von Wahlbeobachtungen in einigen der o.g. Städten und Gemeinden (ein Zentrum scheint das o.g. Hey Obertshausen-Posting über einen you fm-Blog). Es wird spannend zu beobachten sein, wie sich der Diskurs nun weiter entwickelt (und wie schwarz der Sonntag für die hessische Demokratie nun wirklich war).

Und heute geht es weiter:

Ebenfalls noch am gestrigen Abend folgte dann mit einer neuen Pressemitteilung des Chaos Computer Club die erste Reaktion auf die vielfältigen Erfahrungen bei den Wahlbeobachtungen (Schwerwiegende Wahlcomputer-Probleme bei der Hessenwahl), außerdem berichtet Spiegel Online (Computer-Club kritisiert Wahlrechner-Schlampereien) über die Probleme am Wahltag, dort werden auch mögliche Konsequenzen (Anfechtungen, Nachwahl) erörtert. Hier der entsprechende Bericht via HR-Online.

Auch aus einer weiter gefassten Perspektive bleibt der Umgang mit Wahlgeräten natürlich ein Thema – so ist zum Beispiel auch systematisch zu untersuchen, inwiefern sich die Technisierung nicht nur auf das Wahlergebnis, sondern auch auf die Wahlbeteiligung ausgewirkt hat. Eine erste flüchtige Durchsicht der über das Hessische Statistische Landesamt verfügbaren Daten vermittelt zumindest den Eindruck, dass der Wahlgeräte-Einsatz nicht durchgängig signifikante Auswirkungen auf die Wahlbeteiligung hatte. Die meisten Städte/Gemeinden verzeichnen einen leichten Rückgang der Wählerstimmen, in Lampertheim (-6,7 %) und in Viernheim (- 11,7 %) treten dabei die größten Abweichungen auf. Hier wäre nun eine Verbindung zu den Vor-Ort-Berichten angezeigt – zumindest für Viernheim heißt es, dass für eine Zeit lang die Geräte nicht funktionsfähig waren (vgl. HR-Online).

Die CCC-Beobachtungen, dass es in einigen Wahllokalen zu ungewöhnlich langen Wartezeiten kam, dass die Wähler nicht ausreichend informiert an den Wahlcomputer treten oder das „Wahlpersonal“ zu wenig systematische Hilfestellungen zu leisten in der Lage war, können eigene durch Vor-Ort-Beobachtungen bestätigt werden. Hier muss jedoch noch eine genauere Auswertung der Feldnotizen erfolgen, bevor eindeutige Aussagen gemacht werden können.

Nichtsdestotrotz – selbst die CCC-Berichte legen den Eindruck nahe, dass der „menschliche Faktor“ das größere Problem beim Wahlgeräte-Einsatz darstellt. Es soll keinesfalls unterschlagen werden, dass es auch zu konkreten Fehlfunktionen der Nedap-Maschinen kam – doch stellen eklatantes Fehlverhalten bei der Implementierung dieser für die Mehrzahl noch neuen Option der Stimmabgabe offenbar das eigentliche Problem dar. Dazu zählen nicht nur die konkreten Vorfälle in unmittelbarer Nähe zum Wahltag (z.B. Einlagerung von Wahlgeräten in Privathaushalten/Niedernhausen), sondern auch Versäumnisse bei der Wahlvorbereitung bzw. der Wählerinformation.

Vor kategorischen Verbotsforderungen sämtlicher Stimmabgabetechnologie steht neben deren geräteseitger Verbesserung mindestens noch die Debatte um eine Optimierung der Einbettung in die formale Wahlorganisation.

Nach den Ereignissen bei der Landtagswahl, die wohl einer eingehenderen Prüfung durch die Landeswahlleitung unterzogen werden, rücken nun zwangsläufig die nächsten Abstimmungen in den Blick, die mit Hilfe von Wahlgeräten durchgeführt werden – dazu zählen u.a. die Stichwahl um das Bürgermeisteramt in Langen (10.2.) oder die Bürgermeisterwahl in Obertshausen (2.3.).

Countdown.

Sonntag, 27. Januar 2008

So, noch gut eineinhalb Stunden bis zur Schließung der Wahllokale. Dem medialen Begleitfeuerwerk zum Trotz scheint es doch nur auf eine moderate Wahlbeteiligung hinaus zu laufen: einigen Meldungen vom Nachmittag zufolge liegen die Werte in Hessen etwas über, in Niedersachsen dagegen etwas unter den Zahlen der letzten Wahl. „Das [hessische] Innenministerium gab die Beteiligung um 14.00 Uhr mit 34,6 Prozent an, 2003 lag sie zu diesem Zeitpunkt bei 34 Prozent.“ (via Welt.de).

19.13 Uhr

Spannend. Je nachdem, welcherHochrechnung man folgt, gibt es in Wiesbaden ein Vier- (ARD) oder Fünf-Parteienparlament (ZDF). Die beiden großen Parteien bieten über ihre (Bundes-)Websites Anzeigehilfen zur Live-Berichterstattung, die sich frappierend gleichen (CDU, SPD).

19.39 Uhr

Über die Seite des Statistischen Landesamtes sind inzwischen die ersten Auszählungsergebnisse einsehbar. Nachdem zunächst vor allem kleine Gemeinden die Resultate melden, trudeln inzwischen auch einige Ergebnisse aus den Städten mit Wahlgerätenutzung ein. Die Meldung aus Lampertheim war dabei nur kurzzeitig sichtbar und wegen offensichtlicher Fehler (die Wahlbeteiligung lag nur bei 7%) um 19.21 Uhr wieder zurückgezogen.

20.03 Uhr

Diese Ergebnisse aus Wahlgeräte-Städten liegen vor: Viernheim (11.478 Wähler, 19.33 Uhr), Niestetal (5.364/ 19.33), Obertshausen (10.646, 19.52), Alsbach-Hähnlein (5.664, 19.58), Lampertheim (13.021, 20.02), Niedernhausen (7.841, 20.06), Bad Soden/Ts. (10.942, 20.09), Langen (15.238, 20.30). Es fehlen noch Langen, Niedernhausen und Bad Soden/Ts..

20.49 Uhr

In einigen Weblogs gibt es Berichte vom Wahltag, z.B. hier von einer versuchten Wahlbeobachtung in Obertshausen (via Sven Borkert). Zahlreiche weitere Hinweise finden sich auch im Beitrag Bananenrepublik Hessen (via Ralphs Piratenblog).

An diesen Stellen und auch anderswo (sehr gut: ein Twitter-Feed zur Wahlbeobachtung vom Sonntag) entfaltet sich gerade seit heute mittag eine überaus spannende Sammlung und Diskussion von Wahlbeobachtungen in einigen der o.g. Städten und Gemeinden (ein Zentrum scheint das o.g. Hey Obertshausen-Posting über einen you fm-Blog). Es wird spannend zu beobachten sein, wie sich der Diskurs nun weiter entwickelt (und wie schwarz der Sonntag für die hessische Demokratie nun wirklich war).

23.20 Uhr
Das offizielle vorläufige amtliche Endergebnis.

Wahlgeräte in Hessen zugelassen

Donnerstag, 24. Januar 2008

In seiner Entscheidung vom 23. Januar hat der Staatsgerichtshof des Landes Hessen den Einsatz von elektronischen Wahlgeräten bei der Landtagswahl zugelassen. Damit wurde der Antrag auf eine einstweilige Verfügung vom 6. Januar, die vom Chaos Computer Club unterstützt wurde, abgewiesen. Die Berliner bedauern die Entscheidung sehr, wie der Kommentar von erdgeist zeigt.

In der Begründung des Staatsgerichtshofes heißt es:

Genehmigung und Verwendung von Wahlcomputern sind, wie der Staatsgerichtshof feststellte, wahlorganisatorische Maßnahmen. Solche Maßnahmen können vor der Wahl grundsätzlich nur mit den Rechtsbehelfen angefochten werden, die im Landtagswahlgesetz und in der Landtagswahlordnung dafür vorgesehen sind.

Damit bezieht der Staatsgerichtshof eine verfahrensorientierte Position und verzichtet – richtigerweise – auf eine „absolute“ Stellungnahme zum Einsatz von Wahlgeräten. In das Urteil eingeflossen sind auch die positiven Resultate der Probewahlen, die in den acht Gemeinden durchgeführt worden waren, denn für eine Anfechtung wären konkrete Verdachtsmomente notwendig gewesen:

Eine Ausnahme hätte jedenfalls erfordert, dass später nicht nachweisbare Manipulationen in den Wahlcomputern realistischerweise zu befürchten und Fehlfunktionen der Wahlcomputer bei der bevorstehenden Landtagswahl dadurch zu erwarten sind. Das hat die Antragstellerin nicht substantiiert vorgetragen.

Die Wahlleitungen der betroffenen Städte und Gemeinden können nun aufatmen und die Wahlen wie geplant unter Einsatz der Wahlgeräte durchführen – das ist nicht nur unter organisatorischen, sondern auch aus wahlsystematischer Perspektive beruhigend. Hätte die Klage nämlich Erfolg gehabt, wäre genau jener Fall eingetreten, vor dem insbesondere der Chaos Computer Club stets gewarnt hatte: durch den Zwang zur substanziellen Reorganisation der Wahl nur drei Tage vor dem Wahltag wäre es sehr schwierig geworden, einen reibungslosen Ablauf der Wahl (mit herkömmlichen Urnen, Wahlkabinen, Stimmzetteln und menschlichen Wahlhelfern) zu garantieren. Die Folge wäre eine „Ungleichheit der Wahl“ gewesen, ironischer Weise aufgrund der Abwesenheit von Technologie und nicht wegen ihres Einsatzes.

Ein Rest von Unsicherheit bleibt am Wahltag allerdings bestehen, denn an manchen Orten wird fest mit dem Erscheinen von Wahlgeräte-Gegnern und sogar Störversuchen während des Wahlablaufes gerechnet.

Update 1: Zum gleichen Thema ist gerade ein Interview auf sueddeutsche.de erschienen, das – sagen wir mal – kontrovers aufgenommen wird. Es ist tatsächlich sehr plakativ und polarisiert ausgefallen, an einigen Stellen fehlen auch ein paar argumentative Zwischenschritte, aber der Kampf um die Leserschaft wird online offenbar mit harten Bandagen geführt… ;-)

Update 2: Ebenfalls mit Blick auf die Entscheidung des Staatsgerichtshof äußert sich Christopher Harth auf politik-digital.de zum Thema. Hier wurde dem nicht ganz unkomplizierten Sachverhalt deutlich mehr Raum zugestanden, dementsprechend moderater wirkt die Darstellung.