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Die Konjunktur des Lecks

Dienstag, 27. Juli 2010

Die koordinierte Veröffentlichung der „Afghanistan War Logs“ durch die Internet-Plattform Wikileaks, die New York Times, den Guardian und den Spiegel hat seit dem Scoop am Wochenende für viel Wirbel gesorgt.

Die „politische“ Auslegung und Kommentierung der Dokumente ist meine Sache nicht, hierzu fehlen mir die Kenntnisse über Hintergrund und Entwicklung des Konflikts und die diversen militärischen Operationen.

Für mich spannend ist allerdings die „Neukonfiguration der Öffentlichkeit“ durch die Nutzung der digitalen, interaktiven Medienumgebung des Internet. Wie es der Zufall will, habe ich vor kurzem einen Vortrag an der NRW School of Governance zum Thema „Die Ethik des Lecks“ gehalten, Anknüpfungspunkt war (unter anderem) das von Wikileaks verbreitete „Collateral Murder“-Video eines Helikopterangriffs in Bagdad mit zivilen Opfern.

In der Präsentation habe ich die These aufgestellt, dass gerade die technologisch veränderten Möglichkeiten zur Dokumentenweitergabe in Zukunft für eine „Konjunktur des Lecks“ sorgen würde:

Bedingt durch die Digitalisierung können inzwischen nicht mehr nur „einfache“ Text- oder Tondokumente zum Gegenstand von Informationsweitergaben werden, sondern auch massenmedial vorzeigbare Filmsequenzen (Collateral Murder) oder abstrakte Datensammlungen (Steuersünder-CD). Zugleich ändert sich auch der Prozess der Weitergabe: wurde früher mit den Medien als „Vierter Gewalt“ ein relativ autarkes Subsystem mit Informationen versorgt, treten inzwischen NGOs (Watchdog-Organisationen) und kleinere Medien-Akteure wie Weblogs oder Online-Plattformen an deren Stelle.

Ganz offensichtlich bemüht sich Wikileaks hier nun um eine Maximierung der öffentlichen Aufmerksamkeit und stellt so eine im Normalfall eher unwahrscheinliche Allianz dreier großer Medienakteure her. Neben einer zusätzlichen „Authentifizierungsschleife“ erhalten die Dokumente dadurch auch so etwas wie ein „Narrativ“: pressegeschichtlich werden sie in eine Reihe mit den „Pentagon Papers“ gestellt, und die Konkurrenz von staatlicher Informationshoheit mit der enthüllenden Kraft der Vierten Gewalt wird betont.

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