Posts Tagged ‘TV-Duell’

Duell am Rhein

Donnerstag, 22. April 2010

Am kommenden Montag findet in Düsseldorf das „Das Duell“ zwischen Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) und der SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft statt. Veranstaltender Sender ist der WDR, die Debatte beginnt um 20.15 Uhr und dauert 60 Minuten – die Sprint-Variante wie bereits 2008 in Niedersachsen (Duell-Trivia: wer kann ohne digitale Hilfsmittel den Namen des damaligen SPD-Kandidaten aufsagen? Und welcher heutige Bundesminister ging damals im so genannten „kleinen Duell“ an den Start?).

Die in der Kölner Vulkanhalle ausgetragene Diskussion wird moderiert von Jörg Schönenborn und Gabi Ludwig – warum nur stellt der WDR ein Duo an den Fragetisch? Gerade die schlechten Erfahrungen aus dem „Kanzlerduell“ vom vergangenen Herbst sollte Abschreckung genug vor zu vielen Moderationsposten sein. Sicher ist, dass dadurch die ohnehin schon knapp bemessene Redezeit von Rüttgers und Kraft noch weiter reduziert wird. Es ist davon auszugehen, dass die Kandidaten von Thema zu Thema hetzen, dabei wenig Überraschendes von sich geben und die Moderation selbst dann noch störend wirkt, wenn sie nur lenkend eingreifen möchte.

Insgesamt kommt der vermeintliche Wahlkampfhöhepunkt jedoch eher unscheinbar daher – die mediale Orientierung auf ein zentrales Kampagnen-Ereignis lässt lange auf sich warten. Eine ordentliche „Debatte vor der Debatte“ fand (bisher) nicht statt, wenn doch noch etwas folgt, dann wird es nur ein kleines Vorgeplänkel sein – und keine groß inszenierte Positionierung der Kandidaten als gute oder schlechte Rethoriker.

Dennoch wollen wir am kommenden Montag ein kleines Experiment durchführen – gemeinsam mit Thomas Pfeiffer (@codeispoetry) von webevangelisten.de habe ich einen kleinen Versuchsaufbau entwickelt, um möglichst viele Tweets mit debattenbezogenen Inhalten für eine unmittelbare Kommentierung sowie für eine wissenschaftliche Nachbearbeitung zu sichern. Das wichtigste Hashtag dafür dürfte #nrwduell sein, außerdem beachten wir natürlich die Namen der Teilnehmer, Parteikürzel sowie den zuständigen TV-Sender. Eine kleine Sammlung der wichtigsten Twitterthemen zur Landtagswahl ist ebenfalls in Vorbereitung.

Ein paar Fingerübungen im Umfeld der britischen Prime Minister Debates haben schon recht spannende Daten hervor gebracht, auch die zeitnahe Abbildung wesentlicher Themen und Trends scheint gut möglich. Am Montag wollen wir erste Ergebnisse unmittelbar nach der Debatte an der NRW School of Governance in Duisburg präsentieren, ebenfalls dort führt der Kollege Thorsten Faas (Uni Mannheim) eine Real-Time-Response-Messung durch. Es wird spannend sein zu beobachten, wie sich die Resultate des zweigleisigen Debatten-Monitoring ergänzen (oder auch nicht).

Das Duell am Rhein wird am Montag nicht annähernd die Dimension der britischen Debatten erreichen: während der Debattenpremiere am 15. April sammelte der Dienstleister Tweetminster insgesamt 184.396 Tweets von 36.483 Nutzern. Bei der zweiten Auflage am 22. April ging das 140-Zeichen-Aufkommen ein wenig zurück, gesichert wurden „nur“ noch 142,795 Tweets (-41,601) von 28,790 Nutzern (-7,693). Diese Größenordnung führte auch zu erheblichen Reichweiten-Erfolgen der britischen Politik – während und kurz nach den Debatten erschienen die Namen der drei Teilnehmer sowie das allgemeine Hashtag #leadersdebate in den trending topics bei Twitter. Dort sind politische Themen eher selten zu Gast, europäische Ereignisse erst recht.

Auch wenn das Aufeinandertreffen von Rüttgers und Kraft bei weitem nicht die mediale Prominenz erreicht wie die Debattenserie vor den Unterhauswahlen, so wird sich auch hier der Trend zur Echtzeit-Begleitung eines wichtigen Wahlkampf-Ereignisses im Internet fortsetzen.

Next up: „Kanzlerduell“

Dienstag, 8. September 2009

Diese Woche ist DuellDebattenwoche.

Am Sonntag um 20.30 Uhr stehen sich Angela Merkel (CDU) und Frank-Walter Steinmeier (SPD) beim so genannten „Kanzlerduell“ gegenüber – es ist das insgesamt vierte seit der „Wiederaufnahme“ von Debattensendungen vor der Bundestagswahl im Jahr 2002. Befragt werden die Kanzlerin und ihr Stellvertreter von Anne Will (ARD), Maybritt Illner (ZDF), Peter Kloeppel (RTL) und Peter Limbourg (Sat1), die Sendung dauert 90 Minuten und wird von allen ausrichtenden Sendern übertragen.

Bereits das „offizielle“ Logo zeigt die Problematik des deutschen Debattenformates – die prominent platzierten Fernsehsender agieren als Ausrichter, organisieren das Medienevent und dominieren dadurch nicht nur optisch die Veranstaltung und deren Ankündigung. Das Fehlen eines unabhängigen Regulativ habe ich hier im Blog sowie anderswo schon häufig moniert, ich möchte das Klagelied an dieser Stelle nicht nocheinmal anstimmen (zudem hat sich hier zuletzt mit Lutz Hachmeister eine sehr einflussreiche Stimme in der deutschen Medienlandschaft positioniert).

Stattdessen der Blick voraus: ich werde aller Voraussicht nach am Sonntag in Berlin sein und die Debatte für das ZDF kommentieren – online. Wenn alles funktioniert, sind ab Donnerstag die ersten Vorlauf-Texte zu lesen. Die eigentliche Live-Coverage startet dann am Sonntag.

Im Laufe der Woche erscheinen zudem zwei Artikel, die ich gemeinsam mit Alan Schroeder von der Northeastern University in Boston geschrieben habe (Deutsche Welle; tagesschau.de). Schroeder ist einer der führenden Debatten-Experten in den USA, von ihm stammt das Standardwerk Presidential Debates. 50 Years of High-Risk-TV. Außerdem habe ich Alan für jetzt.de zur Rolle von Live-Blogs während der Debatten interviewt.

Weitere Informationen zur digitalen Debattenbegleitung folgen.

Update: Inzwischen hat die Vorberichterstattung begonnen, die „Debatte-vor-der-Debatte“, z.B. im Standard aus Wien und auf den „Duell-Sonderseiten“ des ZDF. Einen guten Überblick zur Informationslage vor der Debatte liefern die Kollegen von Homo Politicus, dort hat Christian Jung (@chris_politicus) auch schon wichtige Vorarbeiten für die digitale Debattenbegleitung geleistet.

Außerdem sind noch weitere Artikel zum Stand der Dinge im Online-Wahlkampf erschienen, bei stern.de mit dem Schwerpunkt Soziale Netzwerke und bei Focus.de zum „gelöschten“ YouTube-Spot der CDU. Einen sehr ausführlichen Überblick bietet auch die gelungene Gegenüberstellung (nicht: Vergleich) mit dem US-Wahlkampf bei der Deutschen Welle.

Town Hall vs. Duell

Mittwoch, 13. Mai 2009

Im Erscheinen Frisch erschienen: ein kleiner Beitrag für CARTA.info zum Town Hall Meeting mit Angela Merkel, veranstaltet von RTL (Sendetermin: Sonntag, 17. Mai, 21.45 Uhr). Als kleinen Anmerkungsapparat zum Artikel habe ich nachfolgend einige Materialien aus dem eigenen Fundus zur Rolle von TV-Debatten in diversen Mediendemokratien herausgesucht.

Eine stärkere Berücksichtigung der politikwissenschaftlichen Perspektive liefert dieser einführende Text zur Rolle des Formates, zusammengefasst wird hier im groben der Stand von 2005:

Politik in der Mediendemokratie: Mehr als Talkshows und TV-Duelle. In: Massing, Peter/Breit, Gotthard (Hg.): Politik im Politikunterricht. Schwalbach/Ts., 2006. S. 66-83.

Kleinere Artikel zu einzelnen Debattenzyklen folgen weiter unten, für die deutsche Diskussion hilfreich sind vor allem folgende Texte aus den Wahljahren 2002 und 2005:

Die m.E. beste Text-, Material- und Kommentarsammlung zu den Presidential Debates aus dem vergangenen Jahr liefert das schon mehrfach erwähnte Presidential Debate Blog – ein studentisches Projekt aus Harvard, Yale und Chicago, das in kürzester Zeit nationale Aufmerksamkeit und Bedeutung erlangte. Ein Ansporn für Bologna-gestresste Studierende aus Deutschland?

Der Vollständigkeit halber hier noch einige deutlich ältere Artikel zu den „Kanzlerduellen“ von 2002 – interessant vor allem deshalb, weil sich seitdem vergleichsweise wenig geändert hat (leider nicht mehr online, Mailversand auf Anfrage):

In der Amerikanisierungsfalle. Bei der Einführung der TV-Duelle wurde demokratisches Potenzial verschenkt. In: grimme – Zeitschrift für Programm, Forschung und Medienproduktion, Nr. 3/2002. S. 18-20.

Nach dem Duell ist vor dem Duell: In: politik & kommunikation. Nr. 2/2002. S. 62-63.

(mit Claus Leggewie) Keine falsche Bewegung! TV-Duelle können keine Wahlen entscheiden – nicht einmal in den USA. In: Der Tagesspiegel, 22.8.2002.

Deutschland 2009

Die Diskussion hierzulande kommt gerade erst in Gang, als interessanter Publikationsort scheint sich das ZEIT-Blog Wahlen nach Zahlen zu etablieren, initiiert wurde es von Thorsten Faas (Universität Mannheim) und Andrea Römmele (International University, Bruchsal) und versammelt Beiträge zahlreicher etablierter WahlforscherInnen.

Faas, Thorsten: TV-Duell 2.0? In: Wahlen nach Zahlen, Zeit.de vom 5.5.2009.

Maier, Jürgen: Showdown im Fernsehstudio – oder doch woanders? In: Wahlen nach Zahlen, Zeit.de vom 4.5.2009.

USA 2008

Debatten-Coverage für ZEIT.de, Telepolis und CARTA: #1 | #2 | #3 | #4a #4b

Hack the Debate: Angriff auf den Fernsehschirm. In: ZEIT.de, 22.1.2009.

Die Debatte vor der Debatte. In: Telepolis, 26.9.2008.

Duels without Guns. National Debates in Germany. In: Presidential Debate Blog, 25.9.2008.

Deutschland 2008 & Frankreich 2007

Hessen : Die unerträgliche Langeweile der Allparteienrunden. In: CARTA, 14.1.2009.

Niedersachsen: Debatten-Sprints? (IuP)

Hessen: Koch vs. Ypsilanti – Debatte in acht Runden (IuP)

Hessen: Koch vs. Ypsilanti – TV-Duell live (IuP)

Hessen, Niedersachsen: Debatte oder Duell? (IuP)

Frankreich: Sarkozy vs. Royal: Entscheidung im Fernsehduell. In: Telepolis, 2.5.2007.

Die Zukunft des „Hochrisikofernsehens“?

Dienstag, 8. Juli 2008

In diesen Tagen ist bei der Columbia University Press die Neuauflage des Standardwerks über TV-Debatten im US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfs erschienen – Presidential Debates: Fifty Years of High-Risk TV.

Schroeder, High-Risk-TV

High-Risk-TV: Alan Schroeder beschreibt die Geschichte der amerikanischen TV-Debatten

Alan Schroeder, Associate Professor an der School of Journalism der Northeastern University in Boston, skizziert darin die Geschichte der hierzulande fälscherweise als „TV-Duelle“ bekannten Wahlkampf-Gesprächsrunden. Begonnen bei der Great Debate von 1960 zwischen Kennedy und Nixon arbeitet sich Schroeder bis zu den eher mauen Konfrontationen von George W. Bush mit John Kerry durch.

Das ist unterhaltsam zu lesen und zugleich lehrreich: Schroeder zerlegt den Debattenprozess in Vorlauf (pre-debate), Durchführung (debate) und Nachbereitung (post-debate) und erhält so drei analytisch voneinander getrennte Untersuchungseinheiten. Auffällig aus der deutschen Perspektive ist dabei die Bedeutung der Commission on Presidential Debates, die als Clearing-Stelle zwischen den Teilnehmer/innen fungiert und für die logistische Organisation der medialen Mega-Events ebenso zuständig ist wie für die Gestaltung der Regeln (wohingegen in Deutschland die Abläufe der „Kanzlerduelle“ bislang in Hinterzimmerrunden zwischen Politik und Medienanstalten ausbaldowert wurden).

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Niedersachsen: Debatten-Sprints?

Mittwoch, 23. Januar 2008

Drei Tage nach der hessischen Premiere ist heute Debattentag in Niedersachsen – soeben läuft lief im NDR (zum Live-Stream) gerade das „kleine Duell“ zwischen Philipp Rösler (FDP) und Stefan Wenzel (Die Grünen), um 21 Uhr treten dann Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) und Herausforderer Wolfgang Jüttner (SPD) gegeneinander an.

Anders als in Hessen werden die Debatten live ausgestrahlt, ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die Dauer: für Rösler und Wenzel steht gerade mal eine halbe Stunde zur Verfügung, die zudem durch Einspielfilme zu den Debattenthemen (auch dies ein Unterschied zur hessischen Variante) verkürzt wird. Dadurch wird die Aufgabe für Moderatorin Susanne Stichler noch schwerer, die Diskutanten im Zaum und die Redezeitkonten ausgeglichen zu halten (ähnlich wie in Hessen zeigt ein Monitor die Sprechzeit der beiden Gäste an).

Die Zeitbegrenzung sorgt für ein enormes Tempo der Debatte, in schneller Folge wechseln die Themen, die Redner passen sich der Geschwindigkeit an und reden – schnell. Ob der NDR dem Format damit einen Gefallen erweist, wird sich zeigen. Immerhin verteilt der Sender die vorhandene Zeit auf vier und nicht nur zwei Parteien – in Hessen gab es schließlich nur das große 90-Minuten-„Duell“ zwischen Koch und Ypsilanti (vgl. unten). Allerdings stellen der Sendeplatz im Vorabendprogramm und das geringe Zeitkontingent durchaus starke Einschränkungen für die Vertreter der kleineren Parteien dar.

Noch bevor die Protagonisten von CDU und SPD ein Wort gewechselt haben, steht aber der eigentliche Verlierer der niedersächsischen TV-Debatten bereits fest: es ist die Linkspartei, für die keiner der exponierten Redeplätze zur Verfügung gestellt wurde. In den jüngsten Umfragen kommt die fünfte Kraft (hier vielleicht eher: das fünfte Rad?) immerhin auch auf fünf Prozent und scheint an den Türen des Landtags zu kratzen.

Unter den wenigen sicheren Erkenntnisse zur Wirkung der TV-Debatten stechen die Mobilisierungseffekte heraus: auch wenn die prominenten Formate nur in den seltensten Fällen auf individuelle Wahlentscheidungen einwirken, durch die auch auf Landesebene nicht unerhebliche Reichweite weisen sie jedoch einiges Mobilisierungspotenzial auf. Bei ihrer Wahlkampfpremiere in Niedersachsen hat es die Linke daher nicht leichter – die Duell-Rechnung des NDR endet leider bei zwei mal zwei.

Eine Ergänzung aus dem Nachbarbüro: Christian Marx weist darauf hin, dass Rösler und Wenzel am Ende noch Gelegenheit zu einer direkten Wähleransprache haben („Liebe Niedersachsen…“), auch dies ein Unterschied zur HR-Debatte. Bei den insgesamt vier Themen (Wirtschaft, Bildung, Umwelt, Jugendkriminalität) gab es nur für die ersten drei Einspielfilme, in denen die Positionen der Parteien wiedergegeben wurden. Eine nicht uninteressante Variante, denn noch am Sonntag wurden diese Informationen in den jeweiligen Eröffnungsstatements von Koch und Ypsilanti mitgeteilt.

Update (24.1.2008):  Die Hauptdebatte zwischen Christian Wulff und Wolfgang Jüttner ist die erwartet konfliktarme Diskussionsrunde geworden (bei der ersten Auflage eines Niedersachsen-Duells im Jahr 2003 zwischen Wulff und dem damaligen Ministerpräsidenten Siegmar Gabriel war es deutlich rauer zugegangen).

In formaler Hinsicht folgte die 2008er-Debatte den oben beschriebenen Regeln, ergänzend sollte vielleicht noch die „Stehordnung“ im Studio erwähnt werden.

Durch drei trapezförmige Stehpulte waren die Diskutanten und der Moderator sehr dicht zueinander aufgestellt – die relative Nähe erzeugte eher die Atmosphäre einer herkömmlichen Pressegesprächsrunde und nicht so sehr die eines auf Konfrontation ausgelegten „Duells“ (vergleichbare Anordnungen liefern häufig die Vizepräsidentschaftsdebatten in den USA, die häufig im Format der „Presserunde“, nicht selten auch in sitzender Position an einem Schreibtisch, durchgeführt werden).

Auch die postdebate debate fällt weniger laut aus als in Hessen, hier einige Kostproben:

NDR: Kontroverse in sachlichem Ton
RP Online: Jüttner wirft Wulff Versagen vor
Spiegel Online: Duell der Dauerlächler
SZ:  Wulff kontert Jüttner aus
Die Zeit: „Die Krawatte immerhin gefällt mir“

Koch vs. Ypsilanti – Debatte in acht Runden

Sonntag, 20. Januar 2008

Nach der Debatte ist vor der Wahl – wieder einmal leistet ein leicht abgewandelter Herbergerismus gute Dienste bei der ersten Charakterisierung eines so genannten „TV-Duells“. Die hessische Premiere mit den Hauptdarstellern Roland Koch und Andrea Ypsilanti ging ohne größere Aus- und Zwischenfälle über die Bühne – das sorgsam in die umfangreiche Berichterstattung des HR eingepasste Debattensendung verlief über 90 Minuten in grob strukturierten Bahnen, zeigte aber auch die erwartbaren Schwächen (vgl. die Debatten-Nachbereitung des HR oder den Videobericht von SpOn über ein Public Viewing in Gießen).

Hinweis: Der nachfolgende Bericht basiert auf Notizen, die während der Aufzeichnung der Debatte im Pressebereich des HR entstanden sind und ist als Roh- und Ausgangsmaterial für eine weitere wissenschaftliche Bearbeitung anzusehen. Die Darstellung folgt dabei dem chronologischen Ablauf und verweist auf einige Besonderheiten des Debattenformats, der Gesprächsführung, der Bildregie sowie insbesondere den organisatorischen Rahmenbedingungen nach Ende der Aufzeichnung. An einigen Stellen finden sich Verweise auf noch ausstehende Vertiefungen oder Teiluntersuchungen, die im weiteren Verlauf der Debatten-Untersuchung folgen werden.

Die Eröffnung

In formaler Hinsicht hat sich der HR für ein double moderator-Modell entschieden, Alois Theisen und Claudia Schick wirken als Gespann dabei nicht immer sicher und souverän. Nach einer schnellen Begrüßung und den ersten „establishing shots“ durch das Studio folgt die Vorstellung der beiden Protagonisten mittels kurzer Einspielfilme (eine genauere Untersuchung der Produktionsbedingungen wird folgen).

Danach beginnt jedoch erstmal kein „Duell“, sondern eine Art „Aufwärmphase“, die eher an parallel geführte Interviews erinnert: während Theisen Andrea Ypsilanti mit einer Eröffnungsfrage zur SPD-internen Attacke von Wolfgang Clement aus der Reserve locken wollte, ruft Schick in der ersten Anmoderation für Roland Koch die sinkenden Umfragewerte und die unvermeidliche Kriminalitätsdebatte in Erinnerung. Hierbei wendet sich Andrea Ypsilanti erstmals direkt an Koch und will mit der recht starren Abfolge der Wortbeiträge brechen, doch HR-Chefredakteur Theisen unterbindet den Versuch im Stile eines Schiedsrichters – insgesamt erinnern die ersten acht Minuten kaum an ein typisches Debattenformat.

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Koch vs. Ypsilanti: TV-Duell live

Sonntag, 20. Januar 2008

11:34 Uhr
Im Hochsicherheitstrakt des HR: in Studio 2 fragen sich die geladenen Journalisten gerade, was sie denn nun dürfen oder nicht – die Restriktionen werden zwar mehrfach vorgetragen (u.a. vom Intendanten Helmut Reitze persönlich), doch so ganz klar ist nicht, wer wann was genau darf. Sicher ist: bis 20.15 Uhr herrscht Nachrichtensperre.

11.40 Uhr
Der Fototermin mit Roland Koch und Andrea Ypsilanti läuft gerade, die Spannung steigt, das WLAN funktioniert, das Büffet ist aufgebaut. Die Frage kommt auf, ob die Sperrvermerke denn auch für Twitter-Feeds gelten.

12.00 Uhr
Es geht los. Aufgrund der Sperrfristen werden direkte Kommentare zum Duell nicht vor 20.15 Uhr publiziert.

12.28 Uhr
Hier in Studio 2 ist so etwas wie „angespanntes Interesse“ zu bemerken. Die etwa 40-50 Beobachter befassen sich konzentriert mit der laufenden Diskussion, es gibt kaum spontane Regungen (der Grund dafür ist nicht Langeweile). Strategisch gesehen wäre jetzt zwar ein guter Zeitpunkt für den Gang zum Büffet, doch (fast) alle bleiben sitzen.

12.45 Uhr
Halbzeit (keine Pause, kein Seitenwechsel, keine Auswechslungen).

13.04 Uhr
Fundstück im Presse-WLAN: Das TV-Duell wird heute abend in Gießen als public viewing-Event übertragen. Ab 20.15 Uhr berichtet auch Weblog der Gießener Jusos über das Duell – „live“. Naja.

13.22 Uhr
Zielgerade und Endspurt.

13.30 Uhr
Das war´s. Das Duell endet etwas schnell, nach Ablauf der Rede- und Sendezeiten wird die Debatte durch die Moderation für beendet erklärt. Nach einer kurzen Wartezeit von ca. 10-15 Minuten gibt es noch die kurze Gelegenheit zur Nachfrage an die Protagonisten.

13.42 Uhr
Roland Koch tritt vor die Journalisten, er beginnt unmittelbar mit der Kommentierung der gerade beendeten Aufzeichnung (Andrea Ypsilanti ist noch nicht zu sehen). Die „Debatte nach der Debatte“ hat begonnen.

13.54 Uhr
Andrea Ypsilanti kommt zur Nachbesprechung, auch sie beginnt mit einem kurzen Statement. Die „Debatte nach der Debatte“ geht weiter.

Debatte oder Duell?

Donnerstag, 17. Januar 2008

Wer hätte das gedacht? In der jüngsten Umfrage zur Landtagswahl liegen CDU (38%) und SPD (37%) Kopf an Kopf, Herausforderin Andrea Ypsilanti (48%, +6) hat Ministerpräsident Roland Koch (38%, -4) in der Persönlichkeitswertung sogar um unerhörte zehn Prozent abgehängt (Videozusammenfassung via Hr-Online).

Damit kommt die für den 18.1. angekündigte Pressekonferenz des HR zum „Fernsehduell“ gerade recht: zwei Tage vor dem am Sonntag ausgestrahlten und nicht erst seit jetzt mit erheblicher Spannung erwarteten medial vermittelten Schlagabtausch der Spitzenkandidaten rückt einmal mehr ein noch junges Format des Medienwahlkampfs in den Vordergrund. Im Verbund mit den gerade veröffentlichten Umfragedaten und des seit Jahresbeginn routiniert ablaufenden medialen Erregungsprogramms ergibt sich eine Woche vor dem Wahltag eine Situation wie aus dem Kampagnen-Bilderbuch.

Ein Auszug aus der Ankündigung zur Pressekonferenz lässt einen gewissen „Spektakel-Charakter“ erwarten: „Die Vertreter der beiden Parteien werden zudem eine Münze werfen, um zu ermitteln, wer zuerst und wer zuletzt antworten kann. Die Pressekonferenz wird in der Studio-Dekoration für das Fernsehduell im Studio 2 stattfinden.“

Man hätte ahnen können, dass die Debatten-Inszenierung auch auf der Landesebene von erheblicher Bedeutung sind – im Februar 2005 verspielte Heide Simonis in Schleswig-Holstein einige Sympathien durch einen schlecht vorbereiteten Auftritt gegen den in den Umfragen weit zurück liegenden Peter-Harry Cartensen – der Anfang vom Ende der bislang einzigen deutschen Ministerpräsidentin. Im gleichen Jahr sorgte eine der zwei Debatten zur schicksalhaften Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen für Furore: das von RTL übertragene „Duell“ war von Friedrich Küppersbuschs Firma pro bono produziert worden, im CDU-Lager schimpfte man damals aber eine angeblich tendenziöse Auswahl von Einspielfilmen mit Bürgerfragen.

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