Posts Tagged ‘wikileaks’

Wikileaks und Pracademics

Freitag, 24. Juni 2011

Am kommenden Montag (27.6.) bin ich als Gast im Doktorandenseminar Wissenschaft und Internet an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf eingeladen. Organisiert wird die Veranstaltung durch eine Nachwuchsforschungsgruppe, die sich intensiv mit den Veränderungen des wissenschaftlichen Arbeitsprozesses durch digitale, interaktive Medien auseinandersetzt.

Mein Sitzungstitel „E-Democracy“ deutet zunächst einmal auf eine inhaltliche Stellungnahme zur Lage der (digitalen) Politikwissenschaft hin, ich möchte die Gelegenheit jedoch für einen kleinen Selbstversuch nutzen und anhand eines aktuellen Beispiels die Veränderungen in meiner eigenen Forschungstätigkeit zu beschreiben. Dazu stelle ich einige thematische Ansätze meiner Auseinandersetzung mit WikiLeaks vor – seit dem ersten Nachdenken über das Projekt und dessen gesellschaftspolitische Dimension sind einige Impulse und Interpretationsansätze zusammengekommen. Im Mittelpunkt des Vortrags stehen jedoch nicht die (immer noch vorläufigen) „Erträge der Forschung“, sondern vielmehr die Art ihres Zustandekommens – der Prozess wissenschaftlichen Arbeitens selbst. Bei einem kleinen Rückblick zeigt sich, dass am Beginn ein kleiner Blogeintrag stand, auf den diverse Online- und Offline-Texte, mehrere öffentliche Vorträge und Diskussionen sowie ein Seminar gefolgt sind. Für den Spätsommer bilden (vorerst) zwei wissenschaftliche Aufsätze den Abschluss dieses Arbeitsprozesses an der Schwelle von Wissenschaft und Praxis.

Mit dieser Verortung bin ich beim dritten Teil meines Vortrags, der sich mit Pracademics befassen wird – unter diesem Begriff diskutieren die US-amerikanischen Kollegen die Kombination klassischer wissenschaftlicher Arbeitstechniken mit den Möglichkeiten der Kommunikation, Kollaboration und Publikation unter den Bedingungen neuer Medien. Ich meine, das passt recht gut in den Zusammenhang des Doktorandenseminars.

In eigener Sache: Köln, Augsburg

Donnerstag, 19. Mai 2011

Zwei schnelle Terminhinweise, bevor es zu spät ist. Inhaltlich haben die Veranstaltungen in Köln und Augsburg nur bedingt miteinander zu tun, zeitlich allerdings sehr viel.

Am Freitag (20.5.) nehme ich an einer Gesprächsrunde zum Thema Information ohne Grenzen. Der Wikileaks-Effekt teil. Ebenfalls am Start: Hans Leyendecker und Markus Beckedahl. Organisiert wird der Abend in der Aula der Universität von KölnAlumni e.V., der Beginn ist um 19.30 Uhr.

Im Anschluss geht es direkt weiter nach Augsburg, dort findet am Samstag (21.5.) der 3. Zukunftskongress der bayerischen Grünen zum Thema digitaler Wandel statt. Dabei bilde ich ab 11.15 Uhr gemeinsam mit Anke Domscheit-Berg ein „Keynote-Tandem“. In den mir zugeteilten 20 Minuten werde ich vermutlich kurzkurzkurz über den akuten Dialog-Boom in der digitalen Politik, Techniken der Transparenz ((c) bzw. (cc) Erik Meyer) und vielleicht auch die Perspektiven elektronischen Wählens reden.

Danach beteilige ich mich im Workshop Wir sind das Volk! – Wie gestaltet sich politische Partizipation im Netz?, den Thomas Pfeiffer (aka @codeispoetry) geplant und vorbereitet hat.

Klingt nach einem spannenden Arbeitswochenende.

Hinweis: Open Government Meetup

Montag, 3. Januar 2011

Aus aktuellem Anlass ein kurzer Hinweis auf eine Veranstaltung in Köln: am 8. Januar findet das Participation Meetup Cologne statt, ein offenes Arbeitstreffen zu den Themen Open Government und Open Data. Aus meiner Perspektive ist nicht nur die inhaltliche Seite interessant (vgl. etwa die Rezension zu Where Good Ideas Come From), sondern auch Art und Ort der Zusammenkunft.

Update: Drüben bei politik-digital ist unter dem Titel Neben der Twitterwall steht der Dom mein kurzer Bericht zur Veranstaltung erschienen.


Das Treffen findet statt in den Räumen von Coworking Cologne, einem der in Deutschland noch raren Coworking-Spaces in einer alten Gasmotorenfabrik. Tim Bonnemann, einer der Organisatoren, teilt dazu in einer Etherpad-Notiz mit: „We’re doing the unconference thing, meaning the exact agenda will emerge based on what the people who show up are interested in.“ Die zugehörige Facebook-Seite deutet an, wer an dem Treffen teilnimmt (und wer leider verhindert ist).

Ich denke, dass Themen aus dem Bereich „offene Daten“, „modernes Regieren“ und „Bürgerbeteiligung“ in diesem Jahr durchaus eine Rolle spielen sollten – allerdings werden es die Fragen um den Umgang mit öffentlich verfügbaren Daten, den daraus resultierenden Informations- und Beteiligungsmöglichkeiten für interessierte Bürger sowie die fortgeschrittene Aneignung öffentlichen Datenmaterials durch versierte Programmierer schwer haben, sich in diesem erneuten Superwahljahr zu behaupten.

Neben dem Dauerthema Online-Wahlkampf wird auch die Debatte um Wikileaks entscheidend für den netzpolitischen Jahresverlauf sein. Krystian Woznicki hat in einem kleinen Denkanstoß auf die unterschiedlichen Transparenzmodelle von Wikileaks und Facebook verwiesen, nach einer Verbindungslinie zwischen Wikileaks und offenen Daten habe ich selbst bereits gesucht.

Insofern dürfte es am kommenden Samstag wohl nicht langweilig werden. Doch vielleicht sollte dabei auch die Frage diskutiert werden, wie sich in einer auf Wahlkampf im Internet, Datenschutz, Cyberwar, Hacker und netzbezogenen Celebrity-Journalismus gepolten Medienöffentlichkeit ein derart komplexes (und unattraktives) Themenfeld wie Open Data/Open Government überhaupt bemerkbar machen kann.

(Apropos „offene Daten“: Der Autor dieser Zeilen hat im Herbst 2008 hier mit Tim Bonnemann gegessen.)

Wikileaks, zum Dritten

Mittwoch, 1. Dezember 2010

Update

Es ist eine Explosion. Eine Woche nach der dritten Wikileaks-Enthüllung und den daraus folgenden Konsequenzen (internationaler Haftbefehl, Straf- und Todesdrohungen gegen Assange, Kabel-Leseverbote für Mitarbeiter von US-Behörden, Facebook- und Twitter-Warnungen an Journalismus-Studierende, die Wikileaks-Verbannung aus der Amazon-Wolke, die Journalismusschelte von Assage, der Entzug des Domain-Namens durch den Dienstleister EveryDNS (sic!), das Verbot bzw. die Blockade von Spenden via Paypal, das Crowdhosting durch hilfsbereite Organisationen, die Assange-Schelte durch die Journalisten) stapeln sich lesenswerte Artikel.

Je mehr ich dazu lese, desto eher komme ich zu dem Schluss, dass es sich bei der aktuellen Wikileaks-Enthüllung tatsächlich um einen wirklichen Bruch handelt. Obwohl ich diesen Trend-Vokabeln eher reserviert gegenüberstehe, hier scheint der Begriff der Disruptivität nicht falsch zu sein. Nach Wikileaks III werden weder das Netz, noch die Welt drumherum so sein wie zuvor (vgl. dazu den entsprechenden Kommentar für The European).

Es ist ein großes Problem, dass das eigentlich noch niemand so recht anerkennen will.

Hier eine kleine Materialsammlung:

Julian Assange, The truth will always win.

Don Alphonso (Interview), „Baut ein Denkmal für Julian Assange“
Aaron Bady, Julian Assange and the Computer Conspiracy.
Dan Gillmor, The censors are scoring a big win.
Alexander Görlach, Ein großes Loch.
Evan Hansen, Why Wikileaks is Good for America.
Mathew Ingram, Wikileaks is a Media Entity.
The Guardian, Q & A with Julian Assange.
Jeff Jarvis, Transparenz hilft gegen Enthüllungen.
Angus Johnston, Why Wikileaks isn´t trending on Twitter.
Nick Judd, Google: Wikileaks vs. Justin Bieber.
Lauren Kirchner, Why Amazon Caved (Q & A mit Ethan Zuckerman).
Thorsten Kleinz, Hackerethik gegen Staatsbürokratie.
Benedikt Köhler, Unterdrückt Twitter das Hashtag #wikileaks?
Ulrike Langer, Medienschau/Wikileaks Edition.
Geert Lovink/Patrice Riemens, Die Anarchie der Transparenz.
Alexis Madrigal, How to Think About Wikileaks.
Lorenz Matzat, Nach Wikileaks.
Jöran Muuß-Merholz, Virtuelle Akademie mit Daniel Domscheit-Berg.
John Naughton, What the attacks on WikiLeaks tell us.
David Pachali, Infowar mit Wikileaks.
Mark Pesce, The Blueprint.
Thomas Pfeiffer, Warum Julian Assange ein Terrorist ist.
Thomas Pfeiffer, Warum Wikileaks kein „trending topic“ ist.
Martina Pickhardt, Gesellschaftslabor Wikileaks.
Reliable Sources (CNN), The Wikileaks Media Dilemma.
Reporters without Borders, Wikileaks Hounded?
Florian Rötzer, Wikileaks: Das Internet schlägt zurück.
Jay Rosen, The Watchdog Press Died (Video, 14 min).
Jay Rosen/Dave Winer, Rebooting the News #75.
David Samuels, The Shameful Attacks on Julian Assange.
Clay Shirky, Wikileaks and the Long Haul.
Micah Sifry, Freedom of the Press is Guaranteed…
Michael Stepper, Eine Ansage für Assange.
Lars Winand, 13 Punkte zu Wikileaks.

Ach ja, und das hier sollte man vielleicht auch noch mal etwas genauer lesen (vgl. auch Absatz 154):

Was im politischen Prozess in legitimer Weise nicht offen ausgetragen wird, muss unter den Bedingungen des politischen Wettbewerbs auch gegenüber anderen Verfassungsorganen nicht vollständig offenbart werden.

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Die Konjunktur des Lecks

Dienstag, 27. Juli 2010

Die koordinierte Veröffentlichung der „Afghanistan War Logs“ durch die Internet-Plattform Wikileaks, die New York Times, den Guardian und den Spiegel hat seit dem Scoop am Wochenende für viel Wirbel gesorgt.

Die „politische“ Auslegung und Kommentierung der Dokumente ist meine Sache nicht, hierzu fehlen mir die Kenntnisse über Hintergrund und Entwicklung des Konflikts und die diversen militärischen Operationen.

Für mich spannend ist allerdings die „Neukonfiguration der Öffentlichkeit“ durch die Nutzung der digitalen, interaktiven Medienumgebung des Internet. Wie es der Zufall will, habe ich vor kurzem einen Vortrag an der NRW School of Governance zum Thema „Die Ethik des Lecks“ gehalten, Anknüpfungspunkt war (unter anderem) das von Wikileaks verbreitete „Collateral Murder“-Video eines Helikopterangriffs in Bagdad mit zivilen Opfern.

In der Präsentation habe ich die These aufgestellt, dass gerade die technologisch veränderten Möglichkeiten zur Dokumentenweitergabe in Zukunft für eine „Konjunktur des Lecks“ sorgen würde:

Bedingt durch die Digitalisierung können inzwischen nicht mehr nur „einfache“ Text- oder Tondokumente zum Gegenstand von Informationsweitergaben werden, sondern auch massenmedial vorzeigbare Filmsequenzen (Collateral Murder) oder abstrakte Datensammlungen (Steuersünder-CD). Zugleich ändert sich auch der Prozess der Weitergabe: wurde früher mit den Medien als „Vierter Gewalt“ ein relativ autarkes Subsystem mit Informationen versorgt, treten inzwischen NGOs (Watchdog-Organisationen) und kleinere Medien-Akteure wie Weblogs oder Online-Plattformen an deren Stelle.

Ganz offensichtlich bemüht sich Wikileaks hier nun um eine Maximierung der öffentlichen Aufmerksamkeit und stellt so eine im Normalfall eher unwahrscheinliche Allianz dreier großer Medienakteure her. Neben einer zusätzlichen „Authentifizierungsschleife“ erhalten die Dokumente dadurch auch so etwas wie ein „Narrativ“: pressegeschichtlich werden sie in eine Reihe mit den „Pentagon Papers“ gestellt, und die Konkurrenz von staatlicher Informationshoheit mit der enthüllenden Kraft der Vierten Gewalt wird betont.

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