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Koch vs. Ypsilanti – Debatte in acht Runden

Sonntag, 20. Januar 2008

Nach der Debatte ist vor der Wahl – wieder einmal leistet ein leicht abgewandelter Herbergerismus gute Dienste bei der ersten Charakterisierung eines so genannten „TV-Duells“. Die hessische Premiere mit den Hauptdarstellern Roland Koch und Andrea Ypsilanti ging ohne größere Aus- und Zwischenfälle über die Bühne – das sorgsam in die umfangreiche Berichterstattung des HR eingepasste Debattensendung verlief über 90 Minuten in grob strukturierten Bahnen, zeigte aber auch die erwartbaren Schwächen (vgl. die Debatten-Nachbereitung des HR oder den Videobericht von SpOn über ein Public Viewing in Gießen).

Hinweis: Der nachfolgende Bericht basiert auf Notizen, die während der Aufzeichnung der Debatte im Pressebereich des HR entstanden sind und ist als Roh- und Ausgangsmaterial für eine weitere wissenschaftliche Bearbeitung anzusehen. Die Darstellung folgt dabei dem chronologischen Ablauf und verweist auf einige Besonderheiten des Debattenformats, der Gesprächsführung, der Bildregie sowie insbesondere den organisatorischen Rahmenbedingungen nach Ende der Aufzeichnung. An einigen Stellen finden sich Verweise auf noch ausstehende Vertiefungen oder Teiluntersuchungen, die im weiteren Verlauf der Debatten-Untersuchung folgen werden.

Die Eröffnung

In formaler Hinsicht hat sich der HR für ein double moderator-Modell entschieden, Alois Theisen und Claudia Schick wirken als Gespann dabei nicht immer sicher und souverän. Nach einer schnellen Begrüßung und den ersten „establishing shots“ durch das Studio folgt die Vorstellung der beiden Protagonisten mittels kurzer Einspielfilme (eine genauere Untersuchung der Produktionsbedingungen wird folgen).

Danach beginnt jedoch erstmal kein „Duell“, sondern eine Art „Aufwärmphase“, die eher an parallel geführte Interviews erinnert: während Theisen Andrea Ypsilanti mit einer Eröffnungsfrage zur SPD-internen Attacke von Wolfgang Clement aus der Reserve locken wollte, ruft Schick in der ersten Anmoderation für Roland Koch die sinkenden Umfragewerte und die unvermeidliche Kriminalitätsdebatte in Erinnerung. Hierbei wendet sich Andrea Ypsilanti erstmals direkt an Koch und will mit der recht starren Abfolge der Wortbeiträge brechen, doch HR-Chefredakteur Theisen unterbindet den Versuch im Stile eines Schiedsrichters – insgesamt erinnern die ersten acht Minuten kaum an ein typisches Debattenformat.

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Koch vs. Ypsilanti: TV-Duell live

Sonntag, 20. Januar 2008

11:34 Uhr
Im Hochsicherheitstrakt des HR: in Studio 2 fragen sich die geladenen Journalisten gerade, was sie denn nun dürfen oder nicht – die Restriktionen werden zwar mehrfach vorgetragen (u.a. vom Intendanten Helmut Reitze persönlich), doch so ganz klar ist nicht, wer wann was genau darf. Sicher ist: bis 20.15 Uhr herrscht Nachrichtensperre.

11.40 Uhr
Der Fototermin mit Roland Koch und Andrea Ypsilanti läuft gerade, die Spannung steigt, das WLAN funktioniert, das Büffet ist aufgebaut. Die Frage kommt auf, ob die Sperrvermerke denn auch für Twitter-Feeds gelten.

12.00 Uhr
Es geht los. Aufgrund der Sperrfristen werden direkte Kommentare zum Duell nicht vor 20.15 Uhr publiziert.

12.28 Uhr
Hier in Studio 2 ist so etwas wie „angespanntes Interesse“ zu bemerken. Die etwa 40-50 Beobachter befassen sich konzentriert mit der laufenden Diskussion, es gibt kaum spontane Regungen (der Grund dafür ist nicht Langeweile). Strategisch gesehen wäre jetzt zwar ein guter Zeitpunkt für den Gang zum Büffet, doch (fast) alle bleiben sitzen.

12.45 Uhr
Halbzeit (keine Pause, kein Seitenwechsel, keine Auswechslungen).

13.04 Uhr
Fundstück im Presse-WLAN: Das TV-Duell wird heute abend in Gießen als public viewing-Event übertragen. Ab 20.15 Uhr berichtet auch Weblog der Gießener Jusos über das Duell – „live“. Naja.

13.22 Uhr
Zielgerade und Endspurt.

13.30 Uhr
Das war´s. Das Duell endet etwas schnell, nach Ablauf der Rede- und Sendezeiten wird die Debatte durch die Moderation für beendet erklärt. Nach einer kurzen Wartezeit von ca. 10-15 Minuten gibt es noch die kurze Gelegenheit zur Nachfrage an die Protagonisten.

13.42 Uhr
Roland Koch tritt vor die Journalisten, er beginnt unmittelbar mit der Kommentierung der gerade beendeten Aufzeichnung (Andrea Ypsilanti ist noch nicht zu sehen). Die „Debatte nach der Debatte“ hat begonnen.

13.54 Uhr
Andrea Ypsilanti kommt zur Nachbesprechung, auch sie beginnt mit einem kurzen Statement. Die „Debatte nach der Debatte“ geht weiter.

Debatte oder Duell?

Donnerstag, 17. Januar 2008

Wer hätte das gedacht? In der jüngsten Umfrage zur Landtagswahl liegen CDU (38%) und SPD (37%) Kopf an Kopf, Herausforderin Andrea Ypsilanti (48%, +6) hat Ministerpräsident Roland Koch (38%, -4) in der Persönlichkeitswertung sogar um unerhörte zehn Prozent abgehängt (Videozusammenfassung via Hr-Online).

Damit kommt die für den 18.1. angekündigte Pressekonferenz des HR zum „Fernsehduell“ gerade recht: zwei Tage vor dem am Sonntag ausgestrahlten und nicht erst seit jetzt mit erheblicher Spannung erwarteten medial vermittelten Schlagabtausch der Spitzenkandidaten rückt einmal mehr ein noch junges Format des Medienwahlkampfs in den Vordergrund. Im Verbund mit den gerade veröffentlichten Umfragedaten und des seit Jahresbeginn routiniert ablaufenden medialen Erregungsprogramms ergibt sich eine Woche vor dem Wahltag eine Situation wie aus dem Kampagnen-Bilderbuch.

Ein Auszug aus der Ankündigung zur Pressekonferenz lässt einen gewissen „Spektakel-Charakter“ erwarten: „Die Vertreter der beiden Parteien werden zudem eine Münze werfen, um zu ermitteln, wer zuerst und wer zuletzt antworten kann. Die Pressekonferenz wird in der Studio-Dekoration für das Fernsehduell im Studio 2 stattfinden.“

Man hätte ahnen können, dass die Debatten-Inszenierung auch auf der Landesebene von erheblicher Bedeutung sind – im Februar 2005 verspielte Heide Simonis in Schleswig-Holstein einige Sympathien durch einen schlecht vorbereiteten Auftritt gegen den in den Umfragen weit zurück liegenden Peter-Harry Cartensen – der Anfang vom Ende der bislang einzigen deutschen Ministerpräsidentin. Im gleichen Jahr sorgte eine der zwei Debatten zur schicksalhaften Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen für Furore: das von RTL übertragene „Duell“ war von Friedrich Küppersbuschs Firma pro bono produziert worden, im CDU-Lager schimpfte man damals aber eine angeblich tendenziöse Auswahl von Einspielfilmen mit Bürgerfragen.

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