Duell-Nachlese (J-3/J-2)

Nach dem Duell (das diesen Namen tatsächlich verdient hat und mit 40 Minuten Überziehungszeit in etwa die „Wetten dass, …“-Liga erreichte) sind sich die Beobachter weder über Ausgang noch Impact der Veranstaltung einig (siehe unten).

Vorweg nur ein paar Worte zum Format – die gravierende „Nachspielzeit“ und das sehr passive Verhalten der beiden „Moderatoren“ zeigen sehr deutlich, dass die französische Debattentradition gegen allzu moderne Medienspielereien resistent geblieben ist. Die Hoheit des Diskurses, nicht nur inhaltlich, auch zeitlich, lag bei den politischen Protagonisten und nicht bei den Medienmachern. die eingeblendeten „Sprechzeiten“ liefen munter weiter (und verloren spätestens jenseits der 60-Minuten-Marke ihre ohnehin geringe Bedeutung), die Kandidaten ließen sich davon nicht beeinflussen und sie wurden nicht beeinflusst. Das „staatstragende Element“ des Formats hat auch die zwölfjährige Pause überdauert, das Duell bleibt in der Tat reduziert auf die rhetorische Auseinandersetzung der beiden Kontrahenten, weitgehend ohne mediale Assistenz und Choreografierung. Vielleicht war die daher fehlende Frage-/Antwort-Dramaturgie oder das Ausbleiben der gewohnten journalistischen Rahmung der Grund für die zumindest eingangs relativ rasche und hektische Schnittfolge, die sich beim flüchtigen Seheindruck allmählich zu verlangsamen schien.

Ganz gleich, wie die inhaltlichen Bewertungen zur Performanz der Kandidaten ausfallen – gewonnen hat in systemischer Hinsicht „die Politik“, deren Vertreter sich nicht den Zwängen, Regeln und Ritualen „des Fernsehens“ gebeugt haben. Das ist ein nicht unwesentliches Verdienst des sperrigen, manchmal mühsam zu verfolgenden, aber vielleicht gerade deshalb wertvollen Formats des Fernsehduells.

Hier eine – kursorische – Auswahl zur Nacharbeitung:

Spiegel Online dokumentiert das Duell sowohl im bewährten Format eines Live-Tickers (sehr lesenswert wg. der spontanen Einordnungen und Kommentierungen von Lucas Delattre) als auch im Rahmen einer herkömmlichen „Rezension“ (die Nicolas Sarkozy als deutlichen Sieger erkennt).

Eine umfangreiche Besprechung mit ähnlichem Fazit liefert Bernard Schmid in Telepolis, der Tenor findet sich schon in der Überschrift: „Im großen Duell konnte Royal nicht punkten“.

In Frankfurt hat man den Stellenwert der Präsidentschaftswahlen über Nacht aufgewertet und ist nun nicht mehr in einem relativ versteckten Dossier, sondern ganz prominent mit von der Partie: Unter der Überschrift „Frankreich vor dem Finale“ kommentiert Günter Nonnenmacher für die FAZ, es gibt zahlreiche Bildstrecken und Videos zum Duell und in einer langen Zusammenfassung der Duell-Inhalte kommt Frau Royal besser weg, meint Jürg Altwegg: „Royal hat bewiesen, dass ihre Partei keinen besseren Kandidaten in den Kampf schicken konnte. Sie ist nicht eingebrochen. Sie war Sarkozy an verbaler Autorität überlegen. Ségolène Royal hatte nichts zu verlieren. Sollte sie am Sonntag gewinnen, so hat sie ihren Sieg im TV-Duell errungen.“

Auch auf im Süden des Landes ist die Frankreich-Wahl zur „Coverstory“ geworden, unter der Titelzeile „Diskreter Charme und kalkulierte Wut“ bleibt SZ-Autor Gerd Krönke in der Bewertung zögerlich: „Die meisten Beobachter waren einig, dass Royal nicht gewonnen, Sarkozy aber auch nicht verloren hat. Das könnte seinen Sieg am Sonntag bedeuten, weil der Favorit nicht destabilisiert wurde.“

Die Zeit reicht die Entscheidung über Sieg oder Niederlage an ihre Leser weiter, der „blog tricolore“ fragt direkt in die digitale Leserunde, wer denn nun gewonnen habe. Die zugehörige, leider etwas kurze Meldung ist da eher deutlich: „Sarkozy überzeugender“.

Auch an weniger bekannten, dafür aber gut informierten Orten im Netz ist das Duell ein Thema: das lesenswerte Frankreich-Blog des Klett-Verlages macht sich ebenfalls Gedanken über den Ausgang der Debatte.

Schließlich: was machen die Kandidaten? Die Sarkozy-Kampagne schaltet einen Gang hoch und hat den „Blog der 72 Stunden“ gestartet, der die letzten drei Tage des Wahlkampfs begleitet und dabei den Kandidaten auf Schritt und Tritt begleitet. Das Duell findet auf der videolastigen Haupt-Website sarkozy.fr keinen Platz – anders dagegen Ségolène Royal, ihre Kampagnenseite nutzt den Duell-Videofeed als Aufmacher im Endspurt.

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