Niedersachsen: Debatten-Sprints?

Drei Tage nach der hessischen Premiere ist heute Debattentag in Niedersachsen – soeben läuft lief im NDR (zum Live-Stream) gerade das „kleine Duell“ zwischen Philipp Rösler (FDP) und Stefan Wenzel (Die Grünen), um 21 Uhr treten dann Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) und Herausforderer Wolfgang Jüttner (SPD) gegeneinander an.

Anders als in Hessen werden die Debatten live ausgestrahlt, ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die Dauer: für Rösler und Wenzel steht gerade mal eine halbe Stunde zur Verfügung, die zudem durch Einspielfilme zu den Debattenthemen (auch dies ein Unterschied zur hessischen Variante) verkürzt wird. Dadurch wird die Aufgabe für Moderatorin Susanne Stichler noch schwerer, die Diskutanten im Zaum und die Redezeitkonten ausgeglichen zu halten (ähnlich wie in Hessen zeigt ein Monitor die Sprechzeit der beiden Gäste an).

Die Zeitbegrenzung sorgt für ein enormes Tempo der Debatte, in schneller Folge wechseln die Themen, die Redner passen sich der Geschwindigkeit an und reden – schnell. Ob der NDR dem Format damit einen Gefallen erweist, wird sich zeigen. Immerhin verteilt der Sender die vorhandene Zeit auf vier und nicht nur zwei Parteien – in Hessen gab es schließlich nur das große 90-Minuten-„Duell“ zwischen Koch und Ypsilanti (vgl. unten). Allerdings stellen der Sendeplatz im Vorabendprogramm und das geringe Zeitkontingent durchaus starke Einschränkungen für die Vertreter der kleineren Parteien dar.

Noch bevor die Protagonisten von CDU und SPD ein Wort gewechselt haben, steht aber der eigentliche Verlierer der niedersächsischen TV-Debatten bereits fest: es ist die Linkspartei, für die keiner der exponierten Redeplätze zur Verfügung gestellt wurde. In den jüngsten Umfragen kommt die fünfte Kraft (hier vielleicht eher: das fünfte Rad?) immerhin auch auf fünf Prozent und scheint an den Türen des Landtags zu kratzen.

Unter den wenigen sicheren Erkenntnisse zur Wirkung der TV-Debatten stechen die Mobilisierungseffekte heraus: auch wenn die prominenten Formate nur in den seltensten Fällen auf individuelle Wahlentscheidungen einwirken, durch die auch auf Landesebene nicht unerhebliche Reichweite weisen sie jedoch einiges Mobilisierungspotenzial auf. Bei ihrer Wahlkampfpremiere in Niedersachsen hat es die Linke daher nicht leichter – die Duell-Rechnung des NDR endet leider bei zwei mal zwei.

Eine Ergänzung aus dem Nachbarbüro: Christian Marx weist darauf hin, dass Rösler und Wenzel am Ende noch Gelegenheit zu einer direkten Wähleransprache haben („Liebe Niedersachsen…“), auch dies ein Unterschied zur HR-Debatte. Bei den insgesamt vier Themen (Wirtschaft, Bildung, Umwelt, Jugendkriminalität) gab es nur für die ersten drei Einspielfilme, in denen die Positionen der Parteien wiedergegeben wurden. Eine nicht uninteressante Variante, denn noch am Sonntag wurden diese Informationen in den jeweiligen Eröffnungsstatements von Koch und Ypsilanti mitgeteilt.

Update (24.1.2008):  Die Hauptdebatte zwischen Christian Wulff und Wolfgang Jüttner ist die erwartet konfliktarme Diskussionsrunde geworden (bei der ersten Auflage eines Niedersachsen-Duells im Jahr 2003 zwischen Wulff und dem damaligen Ministerpräsidenten Siegmar Gabriel war es deutlich rauer zugegangen).

In formaler Hinsicht folgte die 2008er-Debatte den oben beschriebenen Regeln, ergänzend sollte vielleicht noch die „Stehordnung“ im Studio erwähnt werden.

Durch drei trapezförmige Stehpulte waren die Diskutanten und der Moderator sehr dicht zueinander aufgestellt – die relative Nähe erzeugte eher die Atmosphäre einer herkömmlichen Pressegesprächsrunde und nicht so sehr die eines auf Konfrontation ausgelegten „Duells“ (vergleichbare Anordnungen liefern häufig die Vizepräsidentschaftsdebatten in den USA, die häufig im Format der „Presserunde“, nicht selten auch in sitzender Position an einem Schreibtisch, durchgeführt werden).

Auch die postdebate debate fällt weniger laut aus als in Hessen, hier einige Kostproben:

NDR: Kontroverse in sachlichem Ton
RP Online: Jüttner wirft Wulff Versagen vor
Spiegel Online: Duell der Dauerlächler
SZ:  Wulff kontert Jüttner aus
Die Zeit: „Die Krawatte immerhin gefällt mir“

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3 Antworten to “Niedersachsen: Debatten-Sprints?”

  1. Edgar Diener Says:

    Interessant war, dass die kurze Vorstellung der Duellanten durch den Einspielfilm zu Beginn, weniger „aggressiv“ wirkte, als die eingespielten Filme vor dem Duell Ypsilanti – Koch im HR.

    Im HR erinnerte die Darstellung der beiden Spitzenkandidaten vor dem Duell an eine Ansage im Boxring: „Sein/Ihr größte(r) Erfolg:…“ Ich meine, die Musik wäre auch etwas aggressiver gewesen.

    Im NDR wurden Eigenschaften der Duellanten in den Vordergrund gestellt („Er gilt als…“). Das ganz unterlegt mit sehr „chilliger“ Musik.

    Vielleicht hat das auch zu der „entspannten“ Atmosphäre beigetragen…

  2. Townhall vs. Duell « Internet und Politik Says:

    […] Debatten-Sprints? (IuP) Hessen: Koch vs. Ypsilanti – Debatte in acht Runden […]

  3. Duell am Rhein | Homo Politicus Says:

    […] der WDR, die Debatte beginnt um 20.15 Uhr und dauert 60 Minuten – die Sprint-Variante wie bereits 2008 in Niedersachsen (Duell-Trivia: wer kann ohne digitale Hilfsmittel den Namen des damaligen SPD-Kandidaten aufsagen? […]

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