Episode 3: Phantom Politics

Das Epos zwischen Hyperraum und Hypertext

von Christoph Bieber und Eike Hebecker
(Erstveröffentlichung ca. August 1999 bei politik-digital.de)

Das Star Wars-Prequel schlägt nicht nur auf der Leinwand politische Wellen: Für einen kleinen Skandal um die political correctness sorgte eine ethnisch geprägte Sprachfärbung der Figuren, die offenbar eine Zuordnung der Charaktere ermöglicht. Auf der bösen Seite finden sich die mit leicht französischem Einschlag daherheuchelnden Handlanger der Handelsföderation (im Original mit japanischem Akzent), der arabisch-kehlig nuschelnde Händler (und Sklavenhalter) Watto auf Tatooine oder natürlich Darth Sidious, der knappe, harte und befehlshaberische Töne zischt. Auch die Phalanx der „Guten“ kennt eine sprachliche Hierarchie, während die edlen Jedi-Ritter und auch Königin Amidala in gepflegtem Oxford-Englisch parlieren, radebrecht der schlappohrige Tolpatsch Jar Jar Binks ein kreolisches Kauderwelsch. Grammatikalisch zwar völlig verstellt, dafür aber geheimnisvoll und würdig untersteicht der Satzbau von Altmeister Yoda dessen prominente Position im Rat der Jedis. In den besonders empfindlichen USA haben die sprachlichen Charakterzuweisungen George Lucas einige Kritik eingebracht und bereits zu bisweilen haarsträubenden Reaktionen geführt.

Sicherlich kann man dem an seinem eigenen Mythos krankenden George Lucas noch mehr vorwerfen, wie z.B. die Dreistigkeit, vier Filme mit identischem Plot abzuliefern, was ihm jedoch andererseits als Geniestreich ausgelegt wird. Also treffen auch in Episode 1 David und Goliath aufeinander, sei es in klassischen Schlachtenszenarien zwischen hochtechnisierter Zivilisation und erdverbundenem Naturvolk oder in Form der obligatorischen Orbitalstation, die wieder einmal von einem einsamen Raumgleiter zerstört wird, diesmal eher versehentlich als geplant. Ein anderes religiöses Dauermotiv ist der Kampf zwischen Gut und Böse, diesmal gegeben von Darth Maul in perfekter Antichrist-Ästhetik und Edel-Jedi Qui-Gon Jinn im Jesus-Look. Neu im Sortiment ist dagegen die Jungfrauengeburt des Anakin Skywalker – allerdings orientiert sich Lucas hier weniger an der biblischen Empfängnisgeschichte. Stattdessen hat er Muster aus asiatischen Religionsverständnissen übernommen, denn möglicherweise wurde der künftige Superschurke von mikroskopisch kleinen Wesen gezeugt. Laut Jedi-Lehre existieren die „Midichlorianer“ innerhalb der Zellen anderer Lebewesen und deren Konzentration stellt eine Maßzahl für die Machtpotenz des Wirtskörpers dar. Ausführlich Auskunft gibt Lucas dazu höchstselbst im Rahmen des Gesprächs „Von Mythen und Menschen“, wenig augenzwinkernd diskutiert wird dieses Konzept etwa von James Flint.

Bleibt die Frage, warum man sich immer wieder dieselbe Seifenoper antun muss, was nicht allein mit den immer neuen und immer perfekteren digitalen Kapriolen zu erklären ist. Aber warum gehen immer wieder Menschen nach Bayreuth, um nichts als Wagner zu sehen oder man selbst zu Weihnachten in den Gottesdienst, um immer wieder dieselbe Geschichte zu hören? Es sind gesellschaftliche Ereignisse, die einen Hauch von Mystik vermitteln, ohne die auch der moderne rationale Mensch nicht auszukommen scheint.

Dass der grundlegende Konflikt um die Besteuerung von Handelswegen ein wenig altbacken daherkommt, hat gerade die massive Verbreitung von Filmkopien unter Zuhilfenahme des Internet bewiesen. Nicht wenige der kindlichen Fans der 70er und 80er Jahre sind dabei zu schonungslosen Saga-Skeptikern mutiert. Allerdings haben sich die vielen CD-ROM-Kopisten keineswegs vollständig auf digitale Vertriebswege verlassen, so dass die Handelsföderation mit ihren Kampfrobotern doch das ein oder andere Mal hätte zuschlagen können. Ein Beteiligter erinnert sich: „Vervielfältigt wurde das 1.5 Gigabyte-Epos meistens mit CD-Brenner und persönlicher Auslieferung, oder als Päckchen versandt. Das Internet diente da nur zur Verknüpfung der Menschen zu einem großen Netz von Freibeutern, die ganz ohne Gewissensbisse dem eingebildeten Lucas eine reinwürgen, und sich den Film kostenlos ohne alberne Warteschlangen vor dem Kino reinziehen.“ [Hinweis: die Gründung der Piratenpartei erfolgte erst im Jahr 2006.]

Der Anschluss an das globale Datennetz führte dabei häufig zu Profilierungs-Profiten in der Peer-Group. Hier zahlte sich die fast schon „klassische“ Kombination von Computer-Nerd und Science-Fiction-Fan als Hauptveranstalter der zahlreichen Undercover Sneak Previews aus. Die Bestätigung dafür kommt aus den Weiten der Net-Community: „Sobald die Leute den Film hatten, haben sie ihn gleich sämtlichen unvernetzten Freunden ebenfalls gezeigt, da wird der teuer erkaufte Pentium mal richtig zum Coolness-Faktor und sozialen Treffpunkt.“ Aber auch weniger gut gerüstete Star Wars-Fans kamen auf ihre Kosten, denn es dauerte nicht sonderlich lange, bis die kostbaren Bits und Bytes auch auf guten, alten Videobändern auftauchten und somit zu einer weiteren Demokratisierung des Vorschau-Vergnügens beitrugen.

Angesichts digitaler wie analoger Kopienschwemme und dem Ballyhoo der alten Massenmedien können sich aber inzwischen eher diejenigen glücklich schätzen, die noch keinen Blick auf die Bilder vom virtuellen Videoplayer geworfen haben und sich damit ein unbelastetes Kinoerlebnis bewahren konnten. Ob allerdings die massive Vermarktungs-Kampagne um den angekündigten Jahrtausendfilm auch wirklich funktioniert, muss sich erst noch zeigen – aus der Lucasschen Werbematerialschlacht könnte statt Merchandising auch ein Märchen-dising werden. Dass der Umlauf von Raubkopien aus dem Netz plötzlich (die technischen Voraussetzungen waren schon länger gegeben) auch hierzulande ostasiatische Verhältnisse angenommen hat, könnte beinahe für eine ausgeklügelte Marketingstrategie der Lucasfilm Ltd. gehalten werden – wenn damit nicht auch ein anderes Verständnis von Eigentums- und Nutzungsrechten verbunden wäre. Gerade die Privatvorführer der Pentium-Kinos sehen hier Parallelen zu einer anderen unterhaltungselektronischen Konfliktlinie: „Es ist durchaus denkbar, dass Hollywood von derselben „mpeg-Krise“ heimgesucht werden wird, wie schon die Musikindustrie durch das mp3-Format.“

Die in den Augen der Kritik recht flache Einstiegsepisode erfährt allerdings eine deutliche Vertiefung, unternimmt man einen Ausflug in die Weiten der zahlreichen Online-Angebote, die die Story unverdrossen ergänzen und weiterschreiben. Die offizielle Site unter http://www.starwars.com erweist sich als ein reichhaltiger Fundus zu Personal, Schauplätzen und Technik der bisher vier Episoden. Sehr hilfreich ist auch – zumindest für nicht ganz eingefleischte Fans – das Angebot der Kinozeitschrift Cinema. Die dort plazierte „Timeline“ zeichnet grob die wichtigsten Events in der kämpfenden Galaxie nach und das „Online-Lexikon“ hilft beim Nachschlagen der wichtigsten Basics. Wer es etwas genauer wissen will, sollte sich in eine der großen amerikanischen Fanpages einloggen, dort wird echtes Expertenwissen zur Schau gestellt und auch die Entwicklung zur „Episode 2“ aus nächster Nähe begleitet. Wem das alles zu virtuell ist, sollte sich überlegen, am großen „Star Wars Lego-Bauwettbewerb“ teilzunehmen.

Geleistet wird hier bereits in Ansätzen eine Verknüpfung der ersten mit den drei späteren Folgen – quasi ein Vorgriff auf die zuerwartenden Vierfach-Features im nächsten kinematischen Sommerloch. Dass auch „Episode 2“, der insgesamt fünfte Streich der Lucas-Saga, noch in der gewohnten Form in die Kinos kommen wird, scheint ausgemachte Sache – schließlich haben die gemeinschaftlichen Film-Erlebnisse vor der „big screen“ schon lange den Charakter von Happenings angenommen. Es könnte aber durchaus sein, dass die Geschichte(n) von Anakin und Darth, Obi-Wan und Yoda, Leia und Luke, Han Solo und all den anderen in ihrer vollen epischen Breite in digitalen und interaktiven Medienumwelten besser aufgehoben sind.

Aktueller Kommentar:

Es ist schon interessant, den 15 Jahre alten Post zu lesen und dabei über Formen der Mediennutzung zu stolpern, die damals als innovativ und neu beschrieben wurden (Pentium-Rechner!). Allerdings bergen die geschilderten Praktiken des Kopieren und Teilens popkultureller Erzeugnisse nach wie vor große Konfliktpotenziale zwischen Urhebern, Verlagen/Verwertern und Publikum (wie insbesondere an Beispielen aus der Musikindustrie zu verfolgen ist). Tatsächlich kann die im Umfeld von Episode I verübte Produktpiraterie ja durchaus als Vorlauf für die späteren Copyright Wars gelesen werden, die Mitte der 00er Jahre zu den Gründungen der diversen Piratenparteien geführt haben (Dispute über Intellectual Property, Immaterialgüterrechte oder Genpatente wären im übrigen die weitaus zeitgemäßere Konfliktgegenstände für eine Sequel-Trilogie).

Auch die gelebte Praxis der Nutzer geht inzwischen natürlich weit über die 1999er Beispiele hinaus – die digitale Aneignung der Geschichte schreitet fort und auch schon vor dem Filmstart haben besonders aktive Zuschauer ihre Beiträge und Deutungsvorschläge zu drängenden Fragen von Story und Personal verbreitet (vor allem die Personalie Luke Skywalker/Kylo Ren hat sich als überaus ertragreich erwiesen).

Die dominante Rolle für die Platzierung und Verbreitung Star Wars-bezogener Zusatzinhalte übernehmen inzwischen die Sozialen Medien, allen voran Facebook und Twitter. Die vielfach geteilten Kommentare, Analysen und Parodien bringen der Star Wars-Franchise natürlich zusätzliche Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit, den Anbietern bieten sie die Gelegenheit zur medialen Trittbrettfahrt (und gelegentlich sind sie auch einfach liebevoll und gut gemachte fan art).

Eine ganz andere Form der Aneignung thematisiert dagegen James Douglas in The Awl, dem „letzten Weblog“ (Selbstauskunft). In seinem Beitrag Star Lords entwickelt er die These, dass die biografische Entwicklung von Luke Skywalker aus der Original-Trilogie als Vorlage für die Lebensentwürfe der Helden-Unternehmer aus dem Silikon Valley fungiert: „(T)he franchise seems to exert a special influence on Silicon Valley tech titans, and the culture they propagate.“ Anhand biografischer Portraits der üblichen Verdächtigen (Jobs, Zuckerberg, Andreesen, Thiel…) illustriert er seine Überlegungen und fügt der Silikon Valley-Berichterstattung so eine weitere Facette hinzu.

Und natürlich hat Wired die letzten Wahrheiten parat: The Force will be with us. Always.

 

 

Eine Antwort to “Episode 3: Phantom Politics”

  1. Das Erwachen der Macht? Zur Politik von Star Wars | Internet und Politik Says:

    […] Episode III: Zwischen Hyperraum und Hypertext […]

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