Archive for 2007

Off-Topic: Sneaker meets Menschenhaar

Sonntag, 20. Mai 2007

Update (3. Juni 2007): Das Sport-Feature Nachspiel im Deutschlandradio Kultur sendet heute ab 17.30 Uhr ein Special mit dem Titel Der Schuhkrieg.

Originalbeitrag: Am 20. Mai ging die beeindruckende Werkschau des Kanadiers Brian Jungen in der Münchner Villa Stuck zu Ende. Auf zweieinhalb Etagen wurden dabei zahlreiche Zeichnungen und Objekte des Kanadiers (*1970) präsentiert, darunter auch die Prototypes for New Understanding – eine zwischen 1998 und 2005 entstandene Werkgruppe, bei denen Jungen Serien von Nike-Turnschuhen derart kunstvoll zerschnitten und re-kombiniert hat, dass einem Angst und Bange werden kann.

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„Die Bezüge reichen von den Tier- und Geisterfiguren der zeremoniellen Masken der Nordwestküste Kanadas bis zu den Ikonen der Popkultur wie Darth Vader aus der Star Wars-Reihe, oder Optimus Prime, einem Comic-Roboter aus der Serie Transformers.“ (Kommentar aus der Ausstellung)

Jungen bevorzugt Modelle aus der Air Jordan-Reihe von Nike in den Farbstellungen schwarz-weiß-rot, da diese Farben auch die Zeremonienmasken der kanadischen Ureinwohner dominieren. Für den Betrachter entsteht in der Vermischung von archaischem Kultgegenstand und High-Tech-Materialfragmenten ein seltsames Zwitterwesen aus Kultur und Konsum. – verstärkt wird der Hybrid-Effekt bei einigen Objekten durch die Applikation von Menschenhaar als zusätzlichem Gestaltungselement.

Zwar sind Sneaker schon lange in der Gegenwartskunst angekommen, doch meistens fungieren sie als naheliegendes visuelles Signet einer mehr oder weniger gelungenen Konsumkritik. Zum Beispiel in Gary Simmons´ Ensemble Line up (1993), einer Reihe goldlackierter Sportschuhpaare. Simon Woods inszenierte sich mit In Security (1999) als Sicherheitsbeamter neben einem hell erleuchteten Schrein, der einen übergroßen Swoosh enthielt. Beinahe subtil wirkte dagegen Marc Bijls klobige Betonskulptur Symbolic (2002) in der Stuttgarter Ausstellung „Die Einsamkeit der Zeichen“ – sie hatte die Form des Nike-Firmenlogos Swoosh.

Im Rahmen von Brian Jungens recht kompliziertem Verweissystem zwischen Kult und Technik, Kultur und Konsum, Eigentum, Unterdrückung und Befreiung entstehen jedoch tatsächlich neue Bedeutungsräume (eben die Prototypen eines neuen Verständnisses, die er im Titel benennt).

Nebenbei: Auch über die Anbetung von Sportstars (und insbesondere von Michael Jordan) als Heilsfiguren wurde schon einiges geschrieben, unter anderem dies: „Was zur Religiosität fehlt, ist das Element des Transzendenten, des Heilsbringenden. Wer die Schuhe von Michael Jordan kauft, weiß, daß er damit niemals wirklich so spielen können wird wie der Star selbst.“ (das steht hier, auf Seite 92).

Bei den Jungen-Masken ist das etwas anders. Beim Anschauen gewinnt man den Eindruck, dass das „Tragen der Schuhe“ hier kein Distanzerlebnis sein, sondern tatsächlich etwas magisches haben könnte. So nah am Kult wie hier war „Air Jordan“ wohl noch nie.

Where it all started..?

Freitag, 18. Mai 2007

Schon lange angekündigt, aber wg. der kurzfristigen Aktivitäten zur Frankreich-Wahl verschoben – mehr Material aus dem Silicon Valley. Das nachfolgende Bild zeigt den aktuellen Zustand (okay, März 2007) der Ur-Garage aller Garagenfirmen und damit einen echten (Business-)Mythos des 20. Jahrhunderts.

In einer eher spießigen Ecke des ohnehin gut- bis besser-bürgerlichen Palo Alto an der Südwest-Flanke der San Francisco Bay findet man nach einigem Suchen tatsächlich einen der größten Sehnsuchtsorte für Nerds (und Geeks) aus aller Welt. Leicht in den Hinterhof versetzt und von der Straße aus nicht sofort sichtbar steht die renovierte und frisch gestrichene Bretterbude, in der William R. Hewlett und David Packard als Pioniere der Universitäts-Ausgründungen einen Audio-Oszillator entwickelten. Der Rest ist eher bekannt.

Nicht, dass das Faktum an sich besonders interessant wäre – der Besuch vor Ort ist es allerdings schon. Palo Alto funktioniert als Stadt bzw. Zentrum der SilikonComputerindustrie vor allem wegen der Initiative der Herren H & P. Der Googleplex, vielleicht zehn Autominuten entfernt gelegen, wäre undenkbar ohne das Wagnis der beiden Herren in späten 1930er Jahren. Diese Zeitreise, vom nur wenige Quadratmeter großen Bretterverschlag zum imposanten Hauptquartier der „guten Menschen von Google“, ist eine veritable Konkurrenz zum Studium des rasant angewachsenen Literatur- und Filmmaterials zur Erfolgsgeschichte des Such & Findgiganten.

Les jeux sont faits (J+1)

Montag, 7. Mai 2007

Die Wahl ist entschieden, der Herr unten hat gewonnen.
(via Sarkostique)

Also, der Herr auf der rechten Seite, versteht sich. Der Herr links macht ja gar keine Politik. Einen Kommentar in Textform gibt es auch, der wird heute noch online erscheinen. (Update: das ist inzwischen geschehen, und zwar bei Telepolis Online)

Zur „Nachlese“ des Wahlabends außerhalb der üblichen Medienorte eignet sich gut das Protokoll von Heiner Wittmann für das France-Blog bzw. France24.com.

Duell-Nachlese (J-3/J-2)

Freitag, 4. Mai 2007

Nach dem Duell (das diesen Namen tatsächlich verdient hat und mit 40 Minuten Überziehungszeit in etwa die „Wetten dass, …“-Liga erreichte) sind sich die Beobachter weder über Ausgang noch Impact der Veranstaltung einig (siehe unten).

Vorweg nur ein paar Worte zum Format – die gravierende „Nachspielzeit“ und das sehr passive Verhalten der beiden „Moderatoren“ zeigen sehr deutlich, dass die französische Debattentradition gegen allzu moderne Medienspielereien resistent geblieben ist. Die Hoheit des Diskurses, nicht nur inhaltlich, auch zeitlich, lag bei den politischen Protagonisten und nicht bei den Medienmachern. die eingeblendeten „Sprechzeiten“ liefen munter weiter (und verloren spätestens jenseits der 60-Minuten-Marke ihre ohnehin geringe Bedeutung), die Kandidaten ließen sich davon nicht beeinflussen und sie wurden nicht beeinflusst. Das „staatstragende Element“ des Formats hat auch die zwölfjährige Pause überdauert, das Duell bleibt in der Tat reduziert auf die rhetorische Auseinandersetzung der beiden Kontrahenten, weitgehend ohne mediale Assistenz und Choreografierung. Vielleicht war die daher fehlende Frage-/Antwort-Dramaturgie oder das Ausbleiben der gewohnten journalistischen Rahmung der Grund für die zumindest eingangs relativ rasche und hektische Schnittfolge, die sich beim flüchtigen Seheindruck allmählich zu verlangsamen schien.

Ganz gleich, wie die inhaltlichen Bewertungen zur Performanz der Kandidaten ausfallen – gewonnen hat in systemischer Hinsicht „die Politik“, deren Vertreter sich nicht den Zwängen, Regeln und Ritualen „des Fernsehens“ gebeugt haben. Das ist ein nicht unwesentliches Verdienst des sperrigen, manchmal mühsam zu verfolgenden, aber vielleicht gerade deshalb wertvollen Formats des Fernsehduells.

Hier eine – kursorische – Auswahl zur Nacharbeitung:

Spiegel Online dokumentiert das Duell sowohl im bewährten Format eines Live-Tickers (sehr lesenswert wg. der spontanen Einordnungen und Kommentierungen von Lucas Delattre) als auch im Rahmen einer herkömmlichen „Rezension“ (die Nicolas Sarkozy als deutlichen Sieger erkennt).

Eine umfangreiche Besprechung mit ähnlichem Fazit liefert Bernard Schmid in Telepolis, der Tenor findet sich schon in der Überschrift: „Im großen Duell konnte Royal nicht punkten“.

In Frankfurt hat man den Stellenwert der Präsidentschaftswahlen über Nacht aufgewertet und ist nun nicht mehr in einem relativ versteckten Dossier, sondern ganz prominent mit von der Partie: Unter der Überschrift „Frankreich vor dem Finale“ kommentiert Günter Nonnenmacher für die FAZ, es gibt zahlreiche Bildstrecken und Videos zum Duell und in einer langen Zusammenfassung der Duell-Inhalte kommt Frau Royal besser weg, meint Jürg Altwegg: „Royal hat bewiesen, dass ihre Partei keinen besseren Kandidaten in den Kampf schicken konnte. Sie ist nicht eingebrochen. Sie war Sarkozy an verbaler Autorität überlegen. Ségolène Royal hatte nichts zu verlieren. Sollte sie am Sonntag gewinnen, so hat sie ihren Sieg im TV-Duell errungen.“

Auch auf im Süden des Landes ist die Frankreich-Wahl zur „Coverstory“ geworden, unter der Titelzeile „Diskreter Charme und kalkulierte Wut“ bleibt SZ-Autor Gerd Krönke in der Bewertung zögerlich: „Die meisten Beobachter waren einig, dass Royal nicht gewonnen, Sarkozy aber auch nicht verloren hat. Das könnte seinen Sieg am Sonntag bedeuten, weil der Favorit nicht destabilisiert wurde.“

Die Zeit reicht die Entscheidung über Sieg oder Niederlage an ihre Leser weiter, der „blog tricolore“ fragt direkt in die digitale Leserunde, wer denn nun gewonnen habe. Die zugehörige, leider etwas kurze Meldung ist da eher deutlich: „Sarkozy überzeugender“.

Auch an weniger bekannten, dafür aber gut informierten Orten im Netz ist das Duell ein Thema: das lesenswerte Frankreich-Blog des Klett-Verlages macht sich ebenfalls Gedanken über den Ausgang der Debatte.

Schließlich: was machen die Kandidaten? Die Sarkozy-Kampagne schaltet einen Gang hoch und hat den „Blog der 72 Stunden“ gestartet, der die letzten drei Tage des Wahlkampfs begleitet und dabei den Kandidaten auf Schritt und Tritt begleitet. Das Duell findet auf der videolastigen Haupt-Website sarkozy.fr keinen Platz – anders dagegen Ségolène Royal, ihre Kampagnenseite nutzt den Duell-Videofeed als Aufmacher im Endspurt.

Das Fernsehduell im Netz (J-4)

Mittwoch, 2. Mai 2007

Nach anfänglichen Schwierigkeiten läuft die Internet-Übertragung des Duells auf arte.tv und anderen Vorzeige-Websites. Das kleine Player-Fenster zeigt das für das Fernsehen produzierte Bildmaterial, das unentgeltlich für die weitere Nutzung zur Verfügung gestellt wird. Neben den Kandidaten spielt dabei das hypermoderne Studio-Setting die Hauptrolle – insbesondere die aus vier keilförmigen Elementen zusammengesetzte „Tischfläche“ markiert die offensichtliche Modernisierung des Formats. Prominent eingeblendet werden die kumulierten „Redezeiten“ von Royal und Sarkozy, ohne dass dies jedoch Folgen für den Debattenverlauf hätte.

Wie erwartet, beschränken sich die Moderatoren Patrick Poivre d´Arvor (TF1) und Arlette Chabot (France2) auf knappe formale Einwürfe – auffällig ist dabei allerdings der, nun ja, „pikierte“ Gesichtsausdruck der Fernsehikone „PPDA“, dem die erzwungene Zurückhalten gar nicht zu passen scheint.

Als zusätzliches Online-Feature bietet die ARTE-Livecast ein grob gestricktes Voting-Tool an, das die kurzfristige Bewertung der Debatten-Performance erlaubt („exzellentes Argument“/“Flop“). Hier schneidet über die gesamte Sendezeit Ségolène Royal deutlich besser ab als Nicolas Sarkozy – in den Anfangsminuten kann sie bis zu zehn Mal so viele „Klicks“ registieren als ihr Kontrahent. Über die tatsächliche Rezeption und Wirkung gibt diese Spielerei selbstverständlich keinen Aufschluss – allenfalls darf man vermuten, dass es dem Royal-Lager besser gelungen ist, kurzfristigen e-militantisme zu organisieren.

Update (23.10):  Offenbar gibt es – anders als in Mailand am gleichen Abend – in Paris eine Verlängerung: die Debatte lässt sich nicht auf die geplanten 120 Minuten begrenzen. Royal hat inzwischen mehr als 62 Minuten auf ihrem „Konto“, Sarkozy liegt etwa eine Minute dahinter. Ob noch ein Elfmeterschießen folgt?

Royal vs. Sarkozy – un Grand Duel? (J-4)

Mittwoch, 2. Mai 2007

Seit heute bei Telepolis zu lesen – ein längerer Artikel zum Fernsehduell. Dabei werden einige Eckpunkte zur Organisation von TV-Debatten in Frankreich beschrieben und mit den „presidential debates“ in den USA sowie den „Kanzlerduellen“ in Deutschland verglichen.

Und um 21 Uhr dann: die Grand Débat via www.arte.tv.

Update: Ganz schnell noch eine weitere Informationsquelle zur Presidentielle (via The Filter, den exzellenten Newsletter des Berkman Center for Internet and Society an der Harvard University):

„France’s first round presidential election not only brought a record turnout of voters to the polls; it also inspired a wealth of commentary from Francophone bloggers in locations as diverse as the Congo, Morocco, Lebanon, Tunisia, the Caribbean, and Tahiti. Thanks to Jennifer Brea’s faithful translations and added context, we too can take part in the conversation.“

Endspurt in Frankreich (J-5)

Dienstag, 1. Mai 2007

Die netcampagne, der französische Online-Wahlkampf, neigt sich seinem Ende entgegen und die beiden verbliebenen Kandidaten haben die vorletzte Runde eingeläutet. Die Personen sind hinlänglich bekannt, ebenso die wesentlichen Wahlkampfthemen – allein die Wähler sind noch nicht so recht entschieden: Umfragen halten noch etwa jede fünfte Stimme für vakant.

Es gibt also „noch etwas zu holen“, und dafür legen sich Royal und Sarkozy noch einmal mächtig ins Zeug. Einen guten Eindruck davon geben die ausgefeilten Kampagnen-Websites: Ségolène Royals digitales Hauptquartier desirsdavenir.org fragt gleich auf der Einstiegsseite, ob man sich eher für aktuelle Ereignisse aus der Kampagne interessiert oder doch etwas über die Kandidatin erfahren möchte. Im zweiten Fall brennen die Webdesigner ein Feuerwerk aus Bildern, Grafik- und Textelementen ab, die auch gewiefte Powerpoint-Artisten mit Respekt betrachten dürften. Die präsidentielle Slide-Show ist das Online-Äquivalent zum klassischen Personality-Spot im TV oder der Videoplattform im Netz.

Der in den Umfragen knapp führende Nicolas Sarkozy hat sich von vornherein für eine Video-Existenz auf den unterschiedlichen Medienplattformen entschieden. Herzstück seiner Online-Kampagne ist daher ein ausgefeiltes System aus Clip-Formaten, die sich auf der Website sarkozy.fr unter dem Label NSTV zu einem audiovisuellen Mosaik zusammenfügen. Natürlich kann man die einzelnen Berichte, Kommentare oder Interviews auch nachlesen, doch die dominierende Schnittstelle zu den „internautes“ ist ein haselnusstafelgroßer Video-Player.

Und natürlich kennt die netcampagne noch weitere digitale Bildwelten, auch in der dreidimensionalen Wahlkampfwelt von „Second Life“ haben sich die Auseinandersetzungen zwischen Royal- und Sarkozy-Anhängern verschärft. So steht die mit großem Pomp eröffnete „Île Sarkozy“ zwar nicht vor dem Untergang, kürzlich wurde aber doch laut über eine Schließung nachgedacht. Dort hatten sich Fälle „visueller Umweltverschmutzung“ gehäuft, so dass die Betreiber angesichts einer Flut von Anti-Sarkozy-Parolen, Atommüllfässern, Hakenkreuzen oder Karl-Marx-Porträts den Inselbereich bereits mehrmals schließen mussten. Es scheint, als hätte das Comité 748, Royals Unterstützergruppe, die Hoheit in diesem Segment des digitalen Kommunikationsraumes erlangt.

Nun aber neigt sich die große Zeit der E-Politique wohl dem Ende entgegen – das alte Leitmedium Fernsehen holt zum großen Schlag aus und wird mit der morgigen débat télé vor einem Millionenpublikum die endgültige Diskurshoheit erlangen. In den letzten Tagen bis zur Stichwahl im Sonntag wird das Internet zwar noch Schauplatz hitziger Debatten darüber sein, wer denn wohl das Rededuell „gewonnen“ habe – aber die entscheidenden Schritte in Richtung Elysée-Palast erfolgen auf dem Fernsehbildschirm und nicht in der blogosphère, Netzcommunities, Videoplattformen oder Second Life.

Noch nicht.

Duell-Streit in Frankreich (J-9/J-8)

Freitag, 27. April 2007

Der Entscheidungswahlkampf um den Einzug in den Elysée-Palast wird ruppiger und Francois Bayrou ist irgendwie auch noch mit von der Partie. Das für Samstag geplante, zwischenzeitlich abgesetzte und nun doch wieder angekündigte „Duell“ zwischen Ségolène Royal und dem Drittplatzierten der ersten Wahlkampfrunde sorgt für Aufregung. Royal und Bayrou beschuldigen Nicolas Sarkozy, beim Rückzieher des Pay-TV-Senders CanalPlus seine Finger im Spiel gehabt zu haben. Damit gerät – ganz ähnlich wie auch bei den Bundestagswahlen 2002 und 2005 – das „Hochamt der Mediendemokratie“ in die Schusslinie: welche Regeln gelten für den Zugang zu einem Fernsehduell, dem Kampagnen-Höhepunkt mit maximaler Medienreichweite?

Die „offizielle“ débat télé zwischen Sarkozy und Royal ist für den 2. Mai angesetzt, der kommerzielle Marktführer TF1 und das öffentlich-rechtliche France2 organisieren gemeinsam die Übertragung. Deren Modalitäten wurden im Laufe der zwischen Vertretern der Sendeanstalten sowie Beratern der beiden Kandidaten fest gelegt, ein objektives Verfahren soll dabei der Conseil supérieur de l´audiovisuel (etwa: „Oberster Rat für die audiovisuellen Medien“, www.csa.fr) garantieren. (Update: Der CSA hat inzwischen sein Einverständnis für die Ausstrahlung der Debatte gegeben, und die komplizierten Regularien zur Verteilung von Rede- und Sendezeiten für die Kandidaten erläutert.)

Das „Rededuell“ zwischen Ségolène Royal und dem eigentlich bereits ausgeschiedenen Bayrou verletzt aus der Sicht der Sarkozy-Kampagne jedoch den Gleichheitsgrundsatz im Wahlkampf – Royal erhielte durch die Ansetzung eines zusätzlichen Gesprächsformates mehr mediale Aufmerksamkeit und dadurch Vorteile im Wahlkampf-Endspurt. Und auch Bayrou profitiert von einem erneuten Auftritt in der nationalen Medienöffentlichkeit, er kann die im ersten Wahlgang erreichte Position der „dritten Kraft“ stärken und seine Ambitionen für eine tragende Rolle auf der großen politischen Bühne untermauern.

Damit ist die „pre-débat débat“, die Debatte vor der Debatte, in vollem Gange. Sie wird für einen weiteren Bedeutungszuwachs des Aufeinandertreffens von Royal und Sarkozy am kommenden Mittwoch sorgen – zumal Frankreich zwölf Jahre lang auf eine solche Debatte hat warten müssen: so lange liegt das Duell zwischen Jacques Chirac und Lionel Jospin zurück, 2002 hatte Chirac sich einem face-à-face mit Jean-Marie LePen verweigert.

Für´s erste schlagen die Wellen also deutlich höher als beim America´s Cup – für ein spannendes Wochenende scheint gesorgt. Updates folgen!

Update: Die 90-minütige Diskussion zwischen Royal und Bayrou findet am Samstag (28.4.) um 11 Uhr statt und wird vom Sender BFM TV ausgestrahlt, im Internet ist die Debatte auch über den TF1-Nachrichtenableger LCI zu sehen.

Update (28.4.): Kleine PresseMedienschau: Spiegel Online und Zeit.de berichten über die weitgehend einvernehmliche Debatte zwischen Royal und Bayrou, während die Print-FAZ heute noch immer der Meinung ist, die Veranstaltung sei abgesagt worden (siehe unten). Hm. Gut informiert zeigt sich dagegen die Süddeutsche (leider nur E-Paper), die Samstagsausgabe zeichnet detailliert die Duell-Umstände nach. Die taz schreibt am Samstag über „Frankreichs lachenden Dritten“ und die langsam größer werdenden Probleme des Noch-Favoriten Sarkozy. Für die FaS hat Nils Minkmar Paris gleich mehrfach durchquert und dabei einen stimmungsvollen Lagebericht geschrieben.

Ergebnis: Neue Medien 2, Alte Medien 1.

presidentielle.com vs. débat télé (J-11)

Mittwoch, 25. April 2007

Seit heute online (und offline) erschienen: ein kleiner Artikel zum Interneteinsatz im französischen Präsidentschaftswahlkampf – abgedruckt im ARTE TV-Magazin, Anlass ist der Themenabend mit dem leicht geschüttelreimten Titel „WWW – Der neue Weg ins Elysée?“ am 8. Mai. Der Text schaut vor allem in die französichen Winkel von Second Life, verweist aber auch auf andere Leistungsmerkmale der „netcampagne“. Beeindruckend ist zum Beispiel die geographische Darstellung der Royal-nahen Blogs, die auf der Kampagnenseite Desirs d´avenir zu finden ist:

Vermutlich wird sich der Wahlkampf bis zum 6. Mai aber noch stärker in Richtung alte Medien orientieren, denn in genau einer Woche steht das eigentliche Highlight der „second tour“, des „Zweitrundenwahlkampfs“ auf dem Programm: die débat télé, ein zweistündiges Rededuell zwischen Nicolas Sarkozy und Ségolène Royal, übertragen am 2. Mai ab 21 Uhr von den Sendern TF1 und France2.

Das könnte durchaus unterhaltsam werden, wie ein früheres Aufeinandertreffen der beiden aus dem Jahr 1993 zeigt:

Update (19.48 Uhr): Soeben erfahren – das Fernsehduell wird von ARTE ausgestrahlt – allerdings nicht im Fernsehen, sondern online über arte.tv, inklusive einer deutschen Simultanübersetzung. Na, wenn das mal nicht eine Premiere ist. Chapeau!

Rückblick: Dieser ältere Eintrag fasst noch mal ein paar Adressen aus dem Online-Wahlkampf vor dem ersten Wahlgang zusammen.

Pirates of Silicon Valley

Samstag, 21. April 2007

Soeben macht sich der Kultursender ARTE mit einem veritablen Nerd-Themenabend um die Kultur der der neuen Medien verdient: eröffnet wurden die drei Stunden am Freitagabend mit dem 90-minütigen Feature über „Die neuen Herren der Welt“ (lies: Google). Die französische Produktion setzt sich mit zahlreichen Aspekten der Arbeit der „guten Menschen von Mountain View“ auseinander und mischt dabei Interviews mit Suchmaschinen-Kennern und -Aussteigern mit Internet-Clips zum Thema.

Auf den bisweilen etwas langatmigen und pädagogischen Aufklärungsfilm (etwa: Google Books ist böse, weil nun die digitalisierten Werke von Guy de Maupassant online verfügbar sind und französische Verlage in die Röhre schauen) folgt das recht abseitige Mehrfach-Biopic „Pirates of Silicon Valley“ über die frühen Jahre der Herren (Steve) Jobs und (Bill) Gates. Entstanden ist der Film im Jahr 1999, ausgerechnet während der ersten downtime der New Economy. Irritierend ist dabei nicht nur die Besetzung von Anthony Michael Hall als Bill Gates (Mr. Hall ist eine Ikone von 80er-Jahre teenage movies wie „Breakfast Club“ oder „Sixteen Candles“, jeweils an der Seite von Molly Ringwald), sondern auch die Erzählperspektive aus der Sicht von Steve Wozniak – den man rückblickend vielleicht als die eigentliche Schlüsselfigur in der mindestens unwahrscheinlichen, eher absurden Story um die Erfindung des Betriebssystems, der Maus, der grafischen Benutzeroberfläche und – ja, der Zukunft, bezeichnen kann.

Sehenswert. Auch wenn die Quoten gut informierten Kreisen zufolge nicht die 0,1 %-Schwelle erreichen werden.

PS: Die Google-Doku ist ab heute (21.4.) für sieben Tage online verfügbar.